«Fall Carlos»: Sachliche Debatte über das Jugendstrafrecht gefordert

Nr. 39 –

Nach der Empörung über die «Luxustherapie» des Gewalttäters «Carlos» melden sich nun wieder kühlere Köpfe zu Wort: In einer am letzten Dienstag veröffentlichten Stellungnahme kritisieren 47 Juristinnen, Ärzte, Psychiaterinnen und Medienschaffende aus dem Umfeld der Demokratischen JuristInnen der Schweiz (DJS) den Stopp der Resozialisierungsmassnahme von «Carlos», die der grüne Zürcher Justizdirektor Martin Graf und der zuständige Oberjugendanwalt Marcel Riesen auf öffentlichen Druck hin Anfang September durchgesetzt hatten. Aus sozialpädagogischer und reformerischer Sicht sei der Stopp ein Fehler gewesen.

Die Unterzeichnenden befürchten nun eine Verschärfung des «bewährten Jugendstrafrechts», dessen Schwerpunkt in den letzten Jahrzehnten auf «persönlichkeitsadäquaten Massnahmen» gelegen habe, und fordern eine Rückkehr zu einer sachlichen Debatte. Mitunterzeichner Jochi Weil, Mitglied der Stiftung für internationale Strafreform, sagt: «Wir müssen die Diskussion um ein reformerisches Jugendstrafrecht, in deren Folge wir seit den siebziger Jahren grosse Erfolge verzeichnen konnten, wiederaufnehmen.» Weil und KollegInnen relativieren zudem die Kosten der Massnahmen für «Carlos» und weisen darauf hin, dass repressivere Massnahmen, Strafverfolgung sowie Gefängnisaufenthalte ebenfalls hohe Kosten verursachten.

Man müsse nun aufzeigen, «dass Delinquenz und Strafwesen gesellschaftliche Phänomene sind, für die wir alle Mitverantwortung tragen». Dabei gelte es, StraftäterInnen als Mitglieder der Gesellschaft zu betrachten und sie – nach beendetem Vollzug – wieder aufzunehmen. Im Zentrum des Jugendstrafrechts müsse weiterhin der Aufbau einer beruflichen und gesellschaftlichen Perspektive für die jungen StraftäterInnen stehen.