Genfer Rechtsruck: Meisterhaft doppelzüngig
Seit dem Wochenende sitzt erstmals ein Vertreter des Mouvement Citoyens Genevois (MCG) in der Genfer Kantonsregierung. Mauro Poggia, Sohn italienischer ImmigrantInnen und ehemaliger Christdemokrat, gibt sich glatt, gewandt und staatsmännisch. Für den Slogan seiner Partei, «Die Grenzgänger-Epidemie ist noch lange nicht ausgemerzt», entschuldigt sich der Anwalt – zwar nicht für die hasserfüllte Propaganda seiner Partei generell, aber immerhin wegen eines «übertriebenen Wahlslogans». Zugleich gibt er den GrenzgängerInnen einen guten Rat: Sie sollten sich nicht allzu «auffällig» verhalten, die «französische Schulmeistermentalität» gehe in Genf auf den Wecker.
So meisterhaft doppelzüngig agiert seine ganze Partei. Sie gibt sich als Verteidigerin der «kleinen Leute», als «nouvelle force» (neue Kraft), stimmt aber in praktisch allen Fragen wie die Bürgerlichen. Sie fordert Priorität für Ansässige bei der Vergabe von Wohnungen und setzt sich gleichzeitig für die Beibehaltung der Einfamilienhauszonen ein. Sie ruft nach mehr Mobilität in der verkehrsüberlasteten Stadt, will aber die Rechte der AutomobilistInnen stärken. Sie setzt die Bevorzugung von KantonsbewohnerInnen bei Stellenbesetzungen auf die politische Agenda, hat jedoch keine Antwort auf die Frage, wie der Grenzkanton ohne GrenzgängerInnen funktionieren soll.
Der Wahlsieg des MCG war eine Protestwahl gegen die Parteien an der Macht, aber auch gegen die Realität. Genf ist längst eine internationale Agglomeration mit rund einer Million BewohnerInnen, die zur Hälfe ausserhalb des Kantons wohnen. Bürgerliche und Linke tun sich gleichermassen schwer mit diesem Umstand. Dass populistische Rechtsextreme davon profitieren, ist so wenig neu, wie das MCG eine «neue Kraft» ist.