Rollenverteilung in der Familie: Kinderwagenkompetenz
In der Diskussion um die SVP-Familieninitiative spricht niemand über die Rolle der Männer – die noch immer als hilflose Assistenten gelten.
Es gibt kaum einen Moment im Leben, in dem die Gesellschaft so tief ins eigene Privatleben vordringt, wie wenn man ein Kind erwartet: Als ich wenige Monate vor dem Vaterwerden den vorbestellten Kinderwagen in einem Fachgeschäft abholte, bemerkte die Ladenbesitzerin, sie werde mit meiner Frau (nebenbei: Wir sind nicht verheiratet) noch besprechen müssen, ob sie sich für den Kinderwagen einen Schlafsack wünsche.
Die Mutter sorgt sich um das Kind, der Vater um das Geld. Daran bestand für die Ladeninhaberin offenbar keinerlei Zweifel. Die soeben vom Bund publizierten Zahlen zur Hausarbeit von Vätern geben ihr recht: Mütter wenden für den Haushalt ungefähr doppelt so viel Zeit auf, wie ihre Männer. Dasselbe gilt für das Füttern, Wickeln, Baden und das Zubettbringen der Kinder.
Hinter der Bemerkung steckte jedoch zugleich ein Geist, dessen aktuelle Renaissance sich in Sendungen des Schweizer Fernsehens widerspiegelt, in denen etwa «Landfrauen» in helvetischer Tracht um die Wette backen. Die Frau wird aus der Öffentlichkeit zurück ins Private verwiesen. Die zur Abstimmung bevorstehende «Familieninitiative», mit der die SVP die Frauen durch Steuergeschenke zurück an den Herd bringen will, geniesst Sympathien bis in die Linke hinein.
Was allerdings in der Diskussion allzu gerne untergeht: Männern schlägt ein ähnlicher gesellschaftlicher Widerstand entgegen, wenn sie ihrerseits ihren Platz im Privaten einfordern. Ein Vaterschaftsurlaub, wie er derzeit wieder im Bundesrat für Diskussionen sorgt, wird ihnen von der bürgerlichen Mehrheit im Bundeshaus bis heute verwehrt; das Parlament hat bisher über zwanzig entsprechende Vorstösse bachab geschickt. Männer, die in den Wochen nach der Geburt ihres Kindes nicht zu Hause sein können, finden sich bei dessen Betreuung von Beginn an in der Rolle des hilflosen Assistenten wieder.
Gleichzeitig wird die Mutter in die Rolle der Hausfrau gedrängt. Nicht zuletzt auch wegen der Diskriminierung, die sie gegenüber den Männern auf dem Arbeitsmarkt erleidet, weil die ArbeitgeberInnen in weiblichen Angestellten ein potenzielles Ausfallrisiko erblicken.
Der herrschende Zeitgeist prägt auch die aktuelle Diskussion um einen Elternurlaub. SP-Sozialminister Alain Berset hat seinen RegierungskollegInnen vor Kurzem einen Bericht über mögliche Modelle eines Vaterschaftsurlaubs vorgelegt; damit ist er einem Postulat der Basler SP-Ständerätin Anita Fetz gefolgt. Doch Grosses hat Bundesrat Berset damit nicht vor. Er will den Bericht lediglich dem Parlament unterbreiten, ohne ein konkretes Anliegen zu formulieren. Der Sozialdemokrat, der das Begehren unterstützt, fürchtet sich vor einer Niederlage: Die BundesrätInnen von FDP, SVP und BDP stehen einem Elternurlaub ablehnend bis skeptisch gegenüber. Unterstützung hat er lediglich von Doris Leuthard (CVP) und Simonetta Sommaruga (SP).
Und dennoch: Von einem 41-jährigen SP-Bundesrat, der drei Kinder aufzieht, würde man sich durchaus eine etwas mutigere Gangart erhoffen.
Der konservative Muff schlägt Männern aber auch im Alltag entgegen: Eben dann, wenn die Inhaberin eines Kinderladens einem jegliche Kompetenz abspricht, über die angemessene Ausstattung eines Kinderwagens zu befinden; oder wenn Frauen einen für die «Hilfe» bei der Kinderbetreuung loben, die man seiner Partnerin leistet, als ob die angebliche Hilfe kein gleichberechtigter «Beitrag» zur Kinderbetreuung wäre. Oder wenn Hebammen einem irgendwelche Kreismodelle skizzieren, in denen der Vater als ferner Satellit um Kind und Mutter kreist.
Die Begründung, wonach die Frau durch das Stillen eine privilegierte Beziehung zum Kind besitzt, ist letztlich nur der angeblich naturgegebene Kern, auf den sich jede konservative Ideologie beruft.
Anders als der Kampf der Frauen, um ihren Platz innerhalb der Öffentlichkeit, hat jener der Männer um ihren Platz im Privaten nie stattgefunden.