Die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa war bislang ein tragisches Sinnbild für die Abschottungspolitik Europas. Nun haben sich am letzten Wochenende BewohnerInnen Lampedusas und VertreterInnen von über 220 Organisationen aus 25 Ländern auf der Insel getroffen, um diesem Bild eine radikal andere Vision entgegenzustellen. Sie haben die «Charta von Lampedusa» verabschiedet, die eine alternative Migrationspolitik formuliert und die Abschaffung des bestehenden Grenzregimes – mit den Elementen Frontex, Eurosur und Schengen/Dublin – fordert.

Der Prozess wurde vom italienischen Medienprojekt Melting Pot Europa initiiert, nachdem im Oktober bei einem Bootsunglück vor der Küste Lampedusas über 300 Flüchtlinge starben. Die Bilder lösten eine Welle der Entrüstung aus. Eine Abkehr von der militärischen Abwehrstrategie fand jedoch nicht statt. Gleichzeitig nahm die Zahl der Menschen, die auf Lampedusa landeten, stark zu. Laut Innenminister Filippo Bubbico sind im letzten Jahr über 42 000  MigrantInnen nach Italien eingereist, mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2012.

Die Charta fordert «eine radikale Veränderung der Verhältnisse» in Europa. Im Zentrum des Texts stehen die Bewegungs- und die Niederlassungsfreiheit aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft. Darauf aufbauend geht die Charta auch auf die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ein. So will der Text nicht bloss eine andere Migrationspolitik anregen, sondern ein alternatives europäisches Projekt. Gerade im Hinblick auf die EU-Wahlen vom Mai könnte dies die Diskussion auf linker Seite anregen.

Als Nächstes «wollen wir die Charta verbreiten und eine breite Unterstützung erreichen», sagt Anna Lodeserto von der italienischen Organisation European Alternatives gegenüber der WOZ. Im Rahmen des am 1. März 2014 stattfindenden transnationalen MigrantInnenstreiks seien weitere Aktionen geplant.

Die Charta kann online auf Italienisch gelesen und unterzeichnet werden. Übersetzungen sind geplant. www.tinyurl.com/chartalampedusa