Geheimdienst: SP und Grünliberale für den Lauschangriff
Der Nachrichtendienst soll weitgehende Befugnisse zur Überwachung erhalten. Doch im Parlament wehren sich nur die Grünen.
Am 1. April hat die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Nationalrats beschlossen, auf den Entwurf des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) einzutreten. Der Bundesrat und sein Nachrichtendienst, dessen Repräsentanten seit nunmehr zwölf Jahren für die massive Ausweitung seiner Befugnisse weibeln, sind ihrem Ziel ein gutes Stück näher gekommen. Die SiK hat die Grundsatzdiskussionen abgeschlossen und macht sich an die Detailberatung des Gesetzes. Der Entscheid der Kommission fiel mit 23 gegen 2 Stimmen. Einzig die beiden Grünen, Daniel Vischer und Christian van Singer, hielten dagegen.
Die Einigkeit ist erstaunlich, denn der NDG-Entwurf unterscheidet sich nicht wesentlich von jener Revision des «Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der Inneren Sicherheit» (BWIS II), die das Parlament im Jahr 2009 zurückgewiesen hat: Schon damals ging es um «besondere Mittel der Informationsbeschaffung» – von der Telefon- und E-Mail-Überwachung über das Verwanzen von Wohnungen bis zum Einsatz von Trojanern. Eine Allianz von SP, Grünen und SVP brachte das BWIS II zu Fall – gegen den seinerzeit für den Inlandsgeheimdienst zuständigen SVP-Justizminister Christoph Blocher.
Seit Anfang 2010 sind Inlands- und Auslandsgeheimdienst als Nachrichtendienst des Bunds unter dem Dach des Verteidigungsdepartements vereint. Im Dezember 2011 verabschiedete das Parlament ein «BWIS II light» – ohne die «besonderen Mittel». Der Nachrichtendienst war nun formell ermächtigt, bezahlte InformantInnen einzusetzen und sie mit Tarnidentitäten auszustatten. Leichte Verbesserungen des bis dahin nur als absolute Ausnahme vorgesehenen Rechts auf Auskunft über die eigenen Daten sorgten dafür, dass der öffentliche Widerspruch gering blieb.
Massnahmen neu verpackt
Mit dem NDG-Entwurf tischte der Bundesrat letztes Jahr erneut das volle Programm der Überwachungsmethoden auf, die er nun als «genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen» verkauft. Anders als 2009 unter Blocher steht die SVP heute hinter dem Entwurf ihres Geheimdienstministers Ueli Maurer. Opposition im Parlament kommt nur noch von den Grünen. Wo aber bleibt die SP, die 1998 noch die Initiative «Schweiz ohne Schnüffelpolizei» und damit die ersatzlose Abschaffung des präventiven Staatsschutzes unterstützte? Und was wollen die Grünliberalen?
Angesichts des NSA-Skandals denke er vor allem «an die realpolitischen Fragen, die sich die Menschen stellen», sagte SP-Fraktionschef Andy Tschümperlin letzten Donnerstag an einer von grundrechte.ch veranstalteten und von NZZ-Redaktor Markus Hofmann moderierten Podiumsdiskussion in Bern. Ein Verzicht auf die neuen Überwachungsmethoden bringe nichts, Ziel müsse eine klare rechtliche Regelung sein, «die nicht übermässig in die Grundrechte eingreift».
Wie diese Klarheit bei einem geheim arbeitenden Apparat und mit den unbestimmten Begriffen des Geheimdienstrechts gehen soll, konnten weder Tschümperlin noch GLP-Nationalrat Roland Fischer erklären. Fischer bestand darauf, dass das NDG nicht den «Lauschangriff» bringe. Schliesslich sei ein «mehrstufiges Genehmigungsverfahren» vorgesehen. Das Bundesverwaltungsgericht und der Departementsvorsteher müssen zustimmen. «Die Personen, die die Genehmigung erteilen sollen, stehen unter einer gewissen Verantwortung», meint Fischer.
Wehrlose Richter
Für Daniel Vischer (Grüne) war dagegen klar, dass der zuständige Kammerpräsident des Bundesverwaltungsgerichts vor allem unter Druck stehen wird. Das zeige schon die Erfahrung mit richterlichen Genehmigungen im Strafverfahren. Wenn der Nachrichtendienst künftig eine Terrorismusgeschichte vortrage, werde sich der Richter kaum wehren können. Vischer vertraut auch nicht auf die parlamentarische Kontrolle, denn die sechs Mitglieder der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) sind selbst an die Geheimhaltung gebunden. «Gerade kritische und fähige GPDel-Mitglieder werden sich hüten, sich dem Vorwurf des Geheimnisverrats auszusetzen und Informationen an die Öffentlichkeit zu geben. Der einzige Weg, den Nachrichtendienst zu begrenzen, ist, ihm die Befugnisse zu verweigern.»
Klar wurde im Lauf des Abends, dass der Öffentlichkeit und dem Parlament kaum Informationen über die Arbeit des Diensts vorliegen. Nur in unregelmässigen Abständen gibt es Zahlen über die in seinen Datenbanken gespeicherten Personen. Über die Zahl der Spitzel oder die ihnen gezahlten Honorare weiss man nichts. Nicht einmal die Zahl der hauptamtlichen MitarbeiterInnen des Nachrichtendiensts ist bekannt. Tschümperlin meinte, es seien wohl drei oder vier. Aber da täuscht er sich. Es sind mehrere Hundert.