Kommentar: Die Überwachung auf Vorrat überdenken
Am Dienstag hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unzulässig befunden – ein weitreichender Entscheid. Die Richtlinie regelte die verdachtsunabhängige Speicherung der Kommunikationsdaten von 500 Millionen EU-BürgerInnen auf Vorrat. Aufgezeichnet werden keine Inhalte, sondern die Metadaten, also die Angaben darüber, wer mit wem wann wie lange und von wo aus telefoniert oder E-Mails austauscht. Diese Daten wurden mindestens sechs Monate, maximal zwei Jahre lang aufgezeichnet.
Im Urteil kritisiert der EuGH, dass die Vorratsdatenspeicherung die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten zu stark einschränkt. Damit ist die Richtlinie – zumindest vorläufig – vom Tisch, nationale Gesetzgebungen zur Vorratsdatenspeicherung bleiben aber in Kraft. Und womöglich wird bald eine neue Richtlinie ausgearbeitet.
Für die Schweiz hat das Urteil rechtlich keine bindenden Folgen, da die Richtlinie nicht unter die bilateralen Verträge fällt. Trotzdem dürfte es die politische Debatte um die Totalrevision des Überwachungsgesetzes Büpf beeinflussen, zumal sich der Bundesrat in der Gesetzesbotschaft explizit auf die EU-Richtlinie beruft. Der Ständerat hat die Vorlage von Justizministerin Simonetta Sommaruga im März zwar angenommen – sie sieht unter anderem eine Verdoppelung der Vorratsdatenspeicherung von sechs auf zwölf Monate vor –, doch nach dem EuGH-Urteil dürfte es schwierig werden, die Vorratsdatenspeicherung beizubehalten oder gar auszuweiten. Denn der EuGH stützt die Bedenken der breiten Gegnerschaft des Büpf, dass die Grundrechte unverhältnismässig eingeschränkt werden.
Das Urteil ist deshalb ein Sieg für Datenschützerinnen und Gegner der anlasslosen Überwachung. Dem kann sich auch die Justizministerin nicht entziehen.