Medientagebuch: Weiter mit Leidenschaft

Nr. 19 –

Corsin Zander über die Krise der «Zürcher Studierendenzeitung»

Das Gespenst des Bankrotts geistert durch die Räume der «Zürcher Studierendenzeitung» (ZS). Mit Ach und Krach – einer Defizitgarantie der Uni Zürich und Spenden – hat es die Redaktion geschafft, eine weitere Ausgabe an alle StudentInnen zu verschicken.

Wieder einmal! Das Bankrottgespenst gehört nämlich so sehr zu den ZS-Büros in der alten Villa an der Rämistrasse wie die übervollen Aschenbecher und die leeren Bierdosen. Ich selber lernte es kennen, als ich 2009 die Redaktionsleitung übernahm. In der Kasse fehlten damals 2000 Franken. Es stellte sich die Frage: «Sollen wir die Zeitung herausbringen und können dafür die Rechnungen nicht mehr bezahlen, oder lassen wir eine Ausgabe ausfallen?»

Später stellte sich diese Frage immer wieder. Und immer wieder haben wir es geschafft. Mit den Jahren wurde ich gelassener. Es werde schon klappen, sagte ich mir jeweils und blendete dabei zwei Dinge aus: Erstens, wie verrückt das eigentlich ist. Da produziert eine Truppe von jungen StudentInnen jedes Jahr sechs Ausgaben einer Zeitung mit einer Auflage von über 30 000 Exemplaren. Dafür erhalten die ZeitungsmacherInnen nichts, bezahlen das Bier selber und wissen nicht einmal, ob die Zeitung überhaupt gelesen wird. Zweitens, welche Verantwortung auf unseren Schultern lastete. Die ZS ist neunzig Jahre alt. Natürlich wollten wir nicht diejenigen sein, die sie beerdigen. Viel zu sehr fühlten wir uns mit dem Blatt verbunden, und viel zu viel Herzblut hatten wir schon hineingesteckt.

Das historische Erbe, das neue ZS-RedaktorInnen antreten, ist gross: 1923 wurde die Zeitung gegründet. Doch schnell geriet sie in braunes Fahrwasser, der damalige «Schriftleiter» fuhr bis in die dreissiger Jahre einen explizit rechten Kurs. So war die ZS eine der ersten Zeitungen im Land, die frontistische Texte druckten. In den sechziger und siebziger Jahren bildeten sich unter den politischen Studierenden an der Universität Zürich linke Mehrheiten. Nun verfolgte auch die ZS einen dezidiert linken Kurs. Heute ist die ZS politisch neutral und sieht sich dabei nicht zuletzt als Ausbildungsplattform für junge JournalistInnen.

In der ZS haben schon viele bekannte Autoren geschrieben – Max Frisch etwa oder Kurt Tucholsky. Zu den bekanntesten JournalistInnen der letzten Jahre, die in der ZS ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben, gehören Constantin Seibt (später WOZ, heute «Tages-Anzeiger»), Matthias Ninck («Das Magazin») oder Ursula von Arx (später «NZZ Folio»). Zu Recht gilt die ZS heute als einer der grössten Talentschuppen im Schweizer Journalismus, was mehrere nationale und internationale JournalistInnenpreise bestätigen.

Die bewegte ZS-Geschichte geht auch jetzt nicht zu Ende. Natürlich ist es unvernünftig, in Zeiten, in denen Printmedien grösste Finanzierungsprobleme haben, eine studentische Gratiszeitung herauszubringen, die ausschliesslich von Inseraten lebt. Aber die ZS will ihre Unabhängigkeit von der Universität bewahren, und die RedaktorInnen halten nach wie vor gerne eine gedruckte Ausgabe in den Händen. Vielleicht wird sich dies ändern, und die ZS erscheint bald nur noch online. Oder sie wird nicht mehr allen StudentInnen nach Hause geschickt, sondern aufgelegt und handverteilt. Konkrete Pläne in dieser Hinsicht haben die heutigen RedaktorInnen nicht. Aber sie haben – wie ihre VorgängerInnen – verdammt viel Spass an der Sache. Die Leidenschaft, die sie in ihre ZS stecken, wird diese Zeitung am Leben erhalten.

Corsin Zander war von 2008 bis 2013 Redaktor der «Zürcher Studierendenzeitung» und arbeitet heute als freier Journalist.