Nach der polizeilichen Räumung: Labitzke: Gefährliche Kostenabwälzung

Nr. 33 –

Zürich ist seit letzter Woche um einen Lebensraum ärmer. Ein Grossaufgebot der Polizei räumte das besetzte Labitzkeareal. Über zwanzig Personen wurden verhaftet, gegen ihren Willen wurden DNA-Proben entnommen, im Schnellverfahren verhängte Staatsanwalt Edwin Lüscher – auch «Hooliganfresser» genannt – drastische Geldstrafen mit mehrjähriger Bewährungsfrist. Ausserdem überprüft die Stadtpolizei, ob sie die Kosten für die Räumung der besetzten Gebäude und der zuvor blockierten Hohlstrasse auf die BesetzerInnen überwälzen kann. Das Zürcher Polizeigesetz erlaubt dies, wenn die VerursacherInnen eines Polizeieinsatzes vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben.

Die Frage der Kostenabwälzung ist grundsätzlich heikel. Die Polizei ist ein Teil des Service public. Ihre Aufgabe ist es, im Auftrag der Öffentlichkeit für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zu sorgen. Daher werden die dabei entstehenden Kosten auch kollektiv von der Öffentlichkeit über die Steuern getragen. Wenn die Polizei nach Gutdünken darüber entscheiden kann, wann und auf wen sie die Kosten abwälzt, kommt dies einer Strafe gleich und widerspricht der Gewaltentrennung, wie Niklaus Scherr, Gemeinderat der Alternativen Liste (AL), auf seinem Blog schreibt.

Und überhaupt: Wer ist die eigentliche Verursacherin des Polizeieinsatzes? Ist es nicht die Immobilieninvestmentfirma Mobimo, die langjährige MieterInnen auf die Strasse stellt, vielfältig genutzte Gebäude abreisst, bevor das Baubewilligungsverfahren abgeschlossen ist, und an ihrer Stelle Wohnungen im «mittleren», sprich: unerschwinglichen Preissegment errichten will?

Die Blockade der Hohlstrasse als Protest gegen die Räumung mag vorsätzlich gewesen sein, aber keinesfalls fahrlässig. Es war nicht ein Haufen Betrunkener, die zum Spass eben mal ein wenig auf der Strasse herumlümmelten. Es war ein politischer Protest gegen eine Standort- und Wohnungspolitik der Verdrängung, die kaum noch Raum für andere Lebensentwürfe lässt. Eine Entwicklung, die, wie mehreren Interviews zu entnehmen ist, nicht zuletzt auch AL-Polizeivorsteher Richard Wolff Sorgen bereitet – dem Mann also, der den Polizeieinsatz erst anordnete.