Fussball und andere Randsportarten: Einer aus Möhlin
Ivan Rakitic, der neue Star des FC Barcelona
Möhlin ist eine Ortschaft im Fricktal, die sportlich vor allem wegen ihrer Handballriege bekannt ist. Das Handball-Männerteam des TV Möhlin spielte jahrelang in der Nationalliga A und hat bis heute überregionale Ausstrahlung. Doch im «Dorf der drei Kirchen», wie Möhlin sich auf dem Poststempel nennt, wird auch Fussball gespielt. Der FC Möhlin-Riburg spielt sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern in der dritten Liga und betreibt eine grosse Kinder- und Jugendabteilung.
In die Kinderabteilung des FC Möhlin-Riburg trat 1992 ein kleiner Bub ein, der 1988 in Rheinfelden zur Welt gekommen war. Der Bub hiess Ivan und war mit viel Talent gesegnet, sodass er schon im Alter von sieben Jahren zum grossen FC Basel wechseln durfte. Dort trat er als Teenager derart positiv in Erscheinung, dass er bereits mit neunzehn Jahren einen Profivertrag beim deutschen Kultverein Schalke 04 erhielt. Selbstverständlich hätte dieser Ivan aus Möhlin, der es in Rekordzeit vom Dorfklub im Fricktal bis an die Spitze der deutschen Bundesliga geschafft hatte, auch der Schweizer Nationalmannschaft gutgetan. Aber der damalige kroatische Nationaltrainer Slaven Bilic hatte sich im entscheidenden Moment wohl intensiver um den Sohn kroatischer MigrantInnen bemüht als sein Schweizer Kollege Köbi Kuhn. So hat der Junge aus Möhlin bisher 65 Länderspiele für das Land seiner Eltern bestritten.
Was ist das für ein Bürschchen, das noch nicht einmal richtig erwachsen ist, aber schon weiss, dass es zu gut für den FC Basel ist und international lieber für Kroatien als für sein Geburtsland spielt? Solche und ähnliche Fragen beschäftigten die Fussballfans in der Schweiz im Jahr 2007. Er sei zu jung für einen so grossen Transfer, warnten die Fachleute, er werde sich im Ausland wohl kaum durchsetzen. Ivan Rakitic wurde Arroganz und Undankbarkeit vorgeworfen. Dabei wollte er nichts anderes als möglichst gut und erfolgreich Fussball spielen.
Entgegen allen Schwarzmalereien setzte sich der Junge aus Möhlin bei Schalke 04 schnell durch. Und als er der ganzen Welt gezeigt hatte, dass er in der Bundesliga bestehen konnte, wechselte er nach Spanien zum FC Sevilla. Wieder gab es Stimmen, die behaupteten, Ivan Rakitic wolle zu hoch hinaus. Und wieder brachte er seine Kritiker durch seine Leistung auf dem Platz zum Verstummen. Während sich in der Schweiz fast niemand mehr an den kleinen Fricktaler, der einst in die Fremde gezogen war, erinnern wollte, machte er sich im fernen Andalusien als allseits bewunderter Spielgestalter einen Namen. Letzte Saison gewann er mit Sevilla die Europa League.
Der legendäre FC Barcelona, der verzweifelt nach einem Ersatz für seinen alternden Superstar Xavi suchte, lockte Rakitic nach Katalonien. Er wolle sich allmählich in die Stammelf kämpfen. Ihm sei bewusst, dass er nicht sofort an Xavi vorbeikomme, meinte Rakitic bescheiden. Wieder verblüffte er alle, als er schon in den Vorbereitungsspielen zur laufenden Saison zu den Besten seines neuen Klubs zählte. Am vergangenen Wochenende, beim ersten Saisonspiel der spanischen Meisterschaft, trat der FC Barcelona gegen den Elche CF an. Während beim FC Barcelona grosse Namen wie Neymar oder der bereits erwähnte Xavi fehlten, zog Rakitic im Mittelfeld die Fäden, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes getan, und führte Barcelona zu einem 3:0-Sieg.
Unmittelbar nach dem Sieg seines Teams wurde Rakitic vor die Mikrofone verschiedener TV-Stationen gezerrt. Was es für ihn bedeute, eine Klublegende wie Xavi auf die Ersatzbank verdrängt zu haben. Ruhig, höflich und in perfektem Spanisch erklärte Rakitic, ihm sei in seinem Fussballerleben nie etwas geschenkt worden. Alles, was er erreicht habe, sei das Ergebnis harter Arbeit. Es klang wie der Satz eines Buben aus Möhlin, der den Fussballhimmel erreicht hat, aber nicht vergisst, wo er herkommt.
Pedro Lenz (49) ist Schriftsteller und lebt in Olten. Obwohl er geborener Real-Madrid-Fan ist, wird er künftig auch die Spiele des FC Barcelona verfolgen.