Unternehmenssteuerreform III: In der Ideologie gefangen
Die Schweiz steht kurz vor dem Untergang. Diesen Eindruck erhält, wer die Debatte um die Unternehmenssteuerreform III verfolgt. Unter dem Druck von EU und OECD muss die Schweiz das Steuerprivileg für Holdings aufgeben. Und sucht an seiner statt nach Auswegen aus der vermeintlich bedrohlichen Situation.
Die Realität sieht freilich anders aus: Neun der zehn steuergünstigsten Orte der Welt befinden sich in der Schweiz, nur Hongkong weist einen tieferen Steuersatz für Unternehmen auf. Wenn Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Montag also verkündete, die Reform diene dazu, die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Standortattraktivität der Schweiz zu bewahren, dann ist das eine arg verzerrte Darstellung der Verhältnisse. Im globalen Rennen um die tiefsten Steuersätze droht die Schweiz nicht den Anschluss zu verlieren – sie führt es an.
Seit Jahren gewährt die Schweiz Firmen mit Sonderstatus Steuerrabatte, lockt so jedes Jahr Hunderte Unternehmen an und entzieht damit anderen Staaten Steuersubstrat in Milliardenhöhe. Nachvollziehbar, dass Bund und Kantone diese Praxis nicht ersatzlos aufgeben wollen. Beim Bund machen diese Steuererträge rund vierzig Prozent aus. Die Unternehmenssteuerreform III stopft zwar ein Schlupfloch, aber sie schafft einen Strauss von neuen Rabatten: Senkung der Gewinnsteuern in den Kantonen, Abzüge auf Erträge aus geistigem Eigentum (Lizenzboxen), zeitlich unbegrenzte Verlustvorträge, reduzierte Dividendenbesteuerung und mehr.
2,3 Milliarden Franken kostet das Steuerdumpingprogramm von Widmer-Schlumpf. Finanziert werden soll es durch Sparmassnahmen, neue SteuerinspektorInnen und eine Kapitalgewinnsteuer. Diese Steuer auf Börsengewinne ist begrüssenswert, doch die Reform als Ganzes bleibt in der Ideologie des Steuerwettbewerbs gefangen.
Es gäbe einen Ausweg: Die Angst vor der Abwanderung muss überwunden werden. Würden die Steuern für Unternehmen erhöht statt gesenkt, wanderten sicher einige Steuerprofiteure ins Ausland ab. Doch die höheren Steuersätze wögen diese Einbussen locker auf, wie der Thinktank Denknetz bereits 2012 in einer Studie aufzeigte. Nur so lässt sich das «race to the bottom» aufhalten.