Unternehmenssteuerreform III: Das nächste Milliardenrennen

Nr. 21 –

Im November letzten Jahres verkündete der Verein Swissholdings an einer Pressekonferenz seinen Unmut über den absehbaren Wegfall des Holdingprivilegs. Die Interessenvertreter internationaler Unternehmen wie Novartis und Nestlé forderten Ersatzmassnahmen in Form von Gewinnsteuersenkungen und neuen Sonderregelungen für ausländische Gewinne, sogenannte Lizenzboxen, mit der gewisse Gewinne privilegiert besteuert werden.

Am Freitag der letzten Woche präsentierte Bundesfinanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf die Grundzüge für die Unternehmenssteuerreform III (USR III) – und der Verein Swissholdings applaudierte. Seine Wünsche waren allesamt berücksichtigt worden. Einmal mehr duckt sich die Politik vor den Abwanderungsdrohungen des Kapitals. Mit fatalen Folgen.

Die USR III sei keine Steuersenkungsvorlage, behauptete Widmer-Schlumpf anlässlich der Präsentation. Das ist falsch. Das «race to the bottom» – das Wettrennen der Standorte um immer tiefere Steuersätze – geht in die nächste Runde: Im Rahmen der USR III sollen die Kantone in den kommenden Jahren den allgemeinen Gewinnsteuersatz bis auf zwölf Prozent absenken können. In den ärgsten Fällen wäre er gerade noch halb so hoch wie bis anhin. Weiter sollen die erwähnten Lizenzboxen eingeführt werden. Dies alles, begründet die Bundesrätin, sei nötig, weil die EU die privilegierte Besteuerung von Spezialgesellschaften – Holding-, Domizil- und Gemischte Gesellschaften – nicht mehr dulde.

Die letzte Behauptung stimmt zwar, und es ist durchaus erfreulich, dass die Schweiz unter internationalem Druck ihre Steuerpolitik endlich anpasst. Doch geht es im Innersten nicht um die Konfliktlinie EU gegen die Schweiz, sondern darum, dass internationalen Unternehmen weitere Privilegien gewährt werden – zulasten der Allgemeinheit. Die Kompensation der vage bis auf 3,9 Milliarden Franken geschätzten Ausfälle, die die Reform mit sich brächte, soll auf die Bevölkerung abgewälzt werden: mit Einsparungen auf Bundesebene, mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer, mit weniger Steuerabzügen für natürliche Personen.

Weitere, im Bericht skizzierte Optionen wie etwa die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer dürften weniger ernst gemeint sein: Sie widersprechen den Interessen der bürgerlichen Mehrheit und ihrer Klientel – und haben somit politisch kaum eine Chance.

Als Anreiz, die Steuersenkungen auch wirklich zu vollziehen, bietet der Bund den Kantonen an, ihnen dafür den «nötigen finanzpolitischen Handlungsspielraum» zu verschaffen und die Hälfte der Ausfälle mit den bereits erwähnten Massnahmen zu kompensieren. Doch wer zahlt den Teil der Ausfälle, die vom Bund nicht kompensiert werden? Es wird erneut die Bevölkerung sein, die die kantonalen Sparpakete inklusive Leistungskürzungen und Gebührenerhöhungen zu schultern haben wird.

Mit der USR III dreht sich die Steuerspirale weiter abwärts: Das Modell Zug dient als Vorbild für die ganze Schweiz, die ganze Schweiz als Vorbild für die internationale Konkurrenz. Das Nachsehen haben diejenigen, die nicht mithalten können. Und so werden in Schwellen- und Entwicklungsländern – sei es mit Rohstoffraubbau, sei es mit teuren Patenten auf lebensnotwendige Medikamente – weiter Milliarden gescheffelt, die nirgendwo zu auch nur halbwegs anständigen Bedingungen versteuert werden, schon gar nicht da, wo das Geld gebraucht würde. Die BefürworterInnen der Reform argumentieren mit dem Erhalt des hiesigen Wohlstands, der ohne Steuerprivilegien für die internationalen Unternehmen nicht beizubehalten sei, wenn die Unternehmen auf andere Standorte ausweichen würden.

Es wäre weitaus gesünder, sich von dieser Vorstellung zu verabschieden und aus dem «race to the bottom» auszusteigen. Stattdessen sollte die Schweiz auf das Motto «raise to equality» setzen – auf die internationale Gleichheit –, um so mit gutem Beispiel voranzugehen.

Siehe auch «Schluss mit der Prostitution für die globalen Konzerne» .