Urheberrecht: Brunnsteiner gegen Mannhart
Bisher erregten Plagiatsvorwürfe vor allem im Zusammenhang mit PolitikerInnen Aufsehen, die ihre akademischen Titel mit wissenschaftlich unlauteren Methoden erlangt hatten. Jetzt sieht sich in der Schweiz zum ersten Mal ein Schriftsteller mit dem Vorwurf konfrontiert: Urs Mannhart soll in seinem 660-seitigen Roman «Bergsteigen im Flachland» (2014) Motive sowie wörtliche Zitate aus dem Reportagenband «Bis ins Eismeer» (2007) des österreichischen Journalisten Thomas E. Brunnsteiner übernommen haben.
Am 19. September 2014 hat das Zürcher Handelsgericht Brunnsteiners Klage stattgegeben und Verlag und Autor faktisch mit einer Zensur belegt: Der Secession-Verlag darf «Bergsteigen im Flachland» vorübergehend nicht ausliefern und bewerben, Mannhart selbst nicht mehr aus seinem Buch lesen. Er stehe unter Schock, schreibt Mannhart in einem E-Mail, das Verbot komme einem Berufsverbot gleich, da er ohne Nebenerwerb sei und von den Honoraren der Lesungen lebe.
Was aber bedeutet Urheberrechtsverletzung im Fall eines literarischen Werks? Sowohl der Secession-Verlag als auch der Autor haben nach dem Ende Juli erstmals geäusserten Vorwurf Brunnsteiners bestätigt, dass Motive und Sätze aus den Werken des Reporters «entlehnt und literarisch weiterverarbeitet» wurden. Beide waren jedoch überzeugt, dass es sich dabei um eine «zulässige und in der Literatur übliche Übernahme aus einem nicht-fiktionalen Werk handelt».
Nicht derselben Meinung ist Brunnsteiner, der heute mit seiner Familie in Lappland lebt und nicht mehr als Journalist arbeitet. Dem Zürcher Handelsgericht legte er 114 Textauszüge vor, die seine Plagiatsvorwürfe stützen sollen. «Ach, globale Erwärmung? Treibhauseffekt? An den Zauber glaube ich nicht», lautet eine angeführte Stelle aus «Bis ins Eismeer». Sie soll Urs Mannhart mit dem Satzfragment «erklärte bereits zu Beginn, er halte die ganze Aufregung um die sogenannte Klimaerwärmung für lachhaft» plagiiert haben. Für Joachim von Zepelin vom Secession-Verlag ist völlig unverständlich, dass solche Textvergleiche zu einer Klage führen können: «Es ist doch irre, wenn es möglich ist, dass jemand das Urheberrecht auf den Satz ‹das Kaspische Meer mag so gross wie Deutschland sein› haben kann.»
Gerade dieser Satz gehört jedoch zu den sechs Textvergleichen, die das Zürcher Handelsgericht zu überzeugen vermochten – obwohl ihn Mannhart nicht wörtlich übernimmt. Es hat Brunnsteiner dreissig Tage Zeit gegeben, eine formale Klage einzureichen. Mannhart und dem Secession-Verlag droht nun ein Prozess, der im Fall einer Niederlage dramatische Konsequenzen hätte – und zwar nicht nur für Autor und Verlag, sondern auch für die Kunst. «Das würde eine Einschränkung der Kunstfreiheit und der Debattenkultur bedeuten», ist von Zepelin überzeugt. «Irgendwann muss man das Andy-Warhol-Bild von der Wand abhängen, weil es ein Plagiat ist.»