Britannien: Das Tory-Prinzip: Verhökern mit Verlust

Nr. 42 –

Mit Sachverstand, Finanzen und realer Ökonomie standen die britischen Tories schon immer auf Kriegsfuss. Anders ist kaum zu erklären, weshalb Schatzkanzler George Osborne – nach dem Desaster bei der Privatisierung von Royal Mail vor einem Jahr – nun erneut einen profitablen Staatsbetrieb verhökern will. Noch vor der Unterhauswahl im Mai 2015 soll der britische Anteil an Eurostar verkauft werden, verkündete er am Montag. Eurostar betreibt die Bahnstrecke unter dem Ärmelkanal, die London mit französischen und belgischen Städten verbindet; 55 Prozent der Anteile hält die französische Staatsbahn SNCF, 5 Prozent gehören der belgischen SNCB. Den Rest kontrolliert (noch) das Londoner Finanzministerium.

Abgesehen vom volkswirtschaftlichen Unfug, Anteile an einem zunehmend rentablen Unternehmen auf den Markt zu werfen (der Profit von Eurostar stieg im letzten Jahr auf rund 29 Millionen Franken), riskiert die britische Regierung mit der raschen Privatisierung ein ähnliches Debakel wie beim Verkauf von Royal Mail, der britischen Post: Im Oktober 2013 durchgezogen, kostete er die SteuerzahlerInnen rund 2,5 Milliarden Franken.

Es geht den Tories nicht ums Geld, es geht ihnen ums Prinzip. Anders ist auch nicht zu erklären, weshalb die konservativ-liberale Regierung bis Februar 2015 die rentable East-Coast-Railway reprivatisieren will. 2009 übernahm ein staatliches Unternehmen den Betrieb der Bahnstrecke zwischen London und Edinburg entlang der Ostküste, weil die zuvor zuständige Privatfirma kollabiert war. Danach verbesserte sich der Service, die Fahrpreise erhöhten sich kaum, und der Schatzkanzler bekam regelmässig dreistellige Millionenbeträge überwiesen.

Es sind jedoch nicht nur die Tories, die dem Markt um jeden Preis huldigen. Vergangene Woche gab die schottische Regierung bekannt, dass Scotrail künftig durch eine Tochterfirma der Niederländischen Staatsbahn betrieben werde. Vor dem Unabhängigkeitsreferendum im September hatte die regierende Scottish National Party noch versprochen, den Bahnbetrieb in öffentlicher Hand weiterzuführen.