Schottland: Klinken putzen für die grosse Chance

Nr. 37 –

Wenn am kommenden Donnerstag die in Schottland lebende Bevölkerung über die Unabhängigkeit entscheidet, ist eine Überraschung nicht ausgeschlossen. Viele SchottInnen haben genug von der marktradikalen Politik der Westminster-Parteien.

Das Ende des Londoner Diktats? Ein Pub in Inverness im Norden Schottlands wirbt für ein Ja bei der Abstimmung vom 18. September. Foto: Alessandro Rampazzo, Echo Photo Agency

«Wenn alles gut läuft, bekommen die in London bald ein gewaltiges Problem», sagt Jamie Watson und zeigt aus dem grossen Versammlungszelt Richtung Norden. Dort, ein paar Hundert Meter entfernt, liegt hinter hohen Zäunen Her Majesty’s Naval Base Faslane, Britanniens einziger Atom-U-Boot-Hafen. Er jedenfalls werde kommende Woche abstimmen, sagt der 32-jährige ehemalige Krankenpfleger: «Ich gehe sonst nie wählen, aber dieses Referendum ist einfach zu wichtig. Es könnte vieles in Gang setzen, womöglich sogar das Ende der britischen Atomstreitmacht einleiten und …» – aber da fällt ihm Colette McCapperty ins Wort. «Du hast vielleicht Illusionen», sagt die Mutter von zwei Kindern. «Die Unabhängigkeit ist doch keine Lösung, damit verschwinden die Probleme nicht, das System funktioniert weiter.»

Die SNP, die Scottish National Party, sei doch seit neustem für einen Verbleib in der Nato, obwohl sie jahrzehntelang dagegen war. Und warum überhaupt soll die Queen weiterhin Staatsoberhaupt bleiben? «Und deshalb», so erläutert McCapperty, die sich schnell in Rage reden kann, wenn sie über Politik spricht, «werde ich mich am Referendum nicht beteiligen. Wirklich unabhängig wird nur, wer sich auch unabhängig vom Staat macht.» Doch sie kann Watson nicht überzeugen: «Wenn die Ja-Seite gewinnt», antwortet er, «wird zwar nicht alles radikal und gut, aber dann sind wir die da drüben in fünfeinhalb Jahren los.»

Jamie Watson, Colette McCapperty und zehn weitere FriedensaktivistInnen leben zum Teil seit Jahren im Faslane Peace Camp, dem letzten grossen Friedenscamp der britischen Antikriegsbewegung. Ein Dutzend Caravans, drei bunt bemalte, ausrangierte Busse und ein grosses Versammlungszelt stehen am Rand der A 814; es gibt einen Briefkasten, die nahe gelegene Bushaltestelle ist nach dem Camp benannt, und immer wieder kommt Besuch vorbei. Das 1982 errichtete Camp ist Symbol des Widerstands gegen Britanniens atomare Rüstungspolitik, Ausgangspunkt für zahllose Aktionen und Versammlungsort der KriegsgegnerInnen. «Im März haben es zwei von uns geschafft, auf ein U-Boot zu klettern», erzählt McCapperty. «Und im Juli konnten wir frühmorgens mehrere Stunden lang einen Strassentransport mit Atomraketen blockieren.»

Faslane liegt am Gore Loch, vierzig Kilometer westlich von Glasgow. Von hier aus durchziehen die vier britischen, mit insgesamt 58 Trident-Atomraketen bestückten U-Boote die Weltmeere, und hierher kehren sie wieder zurück; es gibt keinen anderen Stützpunkt für die britische Atomstreitkraft. Und der ist akut gefährdet: Sollten die UnabhängigkeitsbefürworterInnen das Referendum gewinnen, werden die Docks von Faslane für Atom-U-Boote gesperrt.

«In einem unabhängigen Schottland», so hatte die SNP schon vor langem versprochen, «wird es keine Massenvernichtungswaffen geben.» Ein Ja zur Unabhängigkeit (vgl. «Ja oder Nein» im Anschluss an diesen Text) wäre ein schwerer Schlag für Londons Stellung in der Welt. Wurde das Vereinigte Königreich nicht vor allem aufgrund seiner Atomwaffen ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat? Und wollen nicht demnächst alle grossen Parteien im Londoner Parlament einer Modernisierung der Trident-Flotte zustimmen, die den Staat in den nächsten 25 Jahren 100 Milliarden Pfund (umgerechnet 150 Milliarden Franken) kostet? «Wenn sie die Trident-U-Boote von hier abziehen müssen, wird das noch viel teurer», glaubt Friedenscamper Watson, «vielleicht erledigt sich damit alles von selbst.» Und das sei gut so: «Wir sind ja nicht nur gegen Atomwaffen hier in Schottland, die müssen überall verschwinden.»

«Another Scotland is possible»

So engagiert wie Watson und McCapperty debattiert auch Jennifer «Lily» Zotou mit allen, die in die Nähe ihres Informationsstands vor der Glasgower Bahnstation Partick kommen. Dass die beiden Lager, das der UnabhängigkeitsgegnerInnen und jenes der BefürworterInnen, kurz vor der Abstimmung am 18. September laut Umfragen Kopf an Kopf liegen, hat vor allem mit Leuten wie Zotou zu tun. Seit Wochen schon wirbelt die Frau mit den schottisch-blau gefärbten Haaren («ein Geschenk meines Sohnes») durch das Arbeiterquartier hier im Westen der grössten schottischen Stadt. Sie klingelt an Haustüren, organisiert Versammlungen, verteilt Flyer und spricht Unentschlossene an. Gestern war sie schon den ganzen Tag da, und morgen wird sie wieder hier stehen.

«Stell dir mal vor, was in einem unabhängigen und egalitäreren Schottland alles möglich wäre»: Lily Zotou will in Glasgow möglichst viele Unentschlossene überzeugen. Foto: Pit Wuhrer

Woher ihre Begeisterung? «Zum ersten Mal überhaupt werden wir kleinen Leute gefragt, endlich gibt es hier so etwas wie Demokratie», sagt sie. Und vorher gab es keine? In Schottland, antwortet Lily Zotou, «votiert die grosse Mehrheit der Bevölkerung seit Jahrzehnten links, also für Labour oder die SNP. Und wer regiert uns? Ein paar Tory-Millionäre aus dem englischen Süden, die den Staat abschaffen wollen, die die Reichen begünstigen, den Banken hörig sind und die Armen verelenden lassen.» Ähnlich argumentieren ihre sechs MitstreiterInnen, die den Infotisch betreiben, auf dem sich Broschüren, Einkaufstaschen, Buttons und T-Shirts mit der Aufschrift «Another Scotland is possible» (ein anderes Schottland ist möglich) türmen. «Bei der letzten Unterhauswahl 2010 haben wir Schotten 59 Abgeordnete ins Westminster-Parlament geschickt», sagt eine Rentnerin, «aber nur einen Tory.» Auch sie gehört der Radical Independence Campaign (RIC) an, einer locker organisierten Basisinitiative, in der sich Sozialistinnen, Umweltschützer, linke Gewerkschafterinnen und Leute zusammengeschlossen haben, die bisher nie politisch aktiv waren.

Fortschrittlicher als England

Und deswegen schlägt sich die Linke jetzt auf die Seite der NationalistInnen? Natürlich sei sie nicht mit allen Beschlüssen der SNP einverstanden, antwortet Zotou. «Aber sie verteidigt, so weit sie kann, unsere sozialen Errungenschaften.» Und nationalistisch könne man die SNP nicht nennen: «Sie steht in vielen Belangen links von Labour.» Als Regierungspartei kann die SNP (sie stellte nach der schottischen Regionalwahl 2007 zuerst eine Minderheitsregierung und regiert seit 2011 dank ihrer Mandatsmehrheit allein) in der Tat einiges vorweisen.

So lehnt die Regionalregierung etwa die Privatisierung des Nationalen Gesundheitswesens (NHS) rundweg ab, die derzeit in London vorangetrieben wird (siehe WOZ Nr. 36/2014 ); anders als in England sind Rezepte in Schottland weiterhin gebührenfrei. Auch die in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs eingeführten und drastisch erhöhten Studiengebühren gibt es in Schottland nicht; stattdessen erhalten Studierende aus armen Familien Stipendien. Und die rabiaten Sozialkürzungen der britischen Regierung versucht First Minister Alex Salmond mit Unterstützung der schottischen Labour-Partei abzufedern: Wem aufgrund der sogenannten Schlafzimmersteuer (siehe WOZ Nr. 14/2013 ) die Sozialhilfe gekürzt wird, bekommt in Schottland einen Zuschuss. «Stell dir mal vor, was in einem unabhängigen und egalitäreren Schottland alles möglich wäre», schwärmt Lily Zotou. «Wir könnten den Ausbau erneuerbarer Energien forcieren, den Ölreichtum für eine Reindustrialisierung nutzen, die Ausbildung der Jugendlichen verbessern und den Sozialstaat ausbauen.»

Ungleiches Kräfteverhältnis

Es ist schon erstaunlich. Überall in Schottland, in den Dörfern wie in den Städten, in den Highlands wie im ehemaligen Industriegürtel zwischen Glasgow und Edinburg, in Pubs, auf den Strassen, in allen TV-Talkshows, an Marktständen und auf zahllosen Treffen wird derzeit leidenschaftlich diskutiert. Was spricht für die Unabhängigkeit, was dagegen? Kann ein eigenständiges Schottland wirtschaftlich überleben? Natürlich, sagen die einen, viele kleine Staaten würden prosperieren, ausserdem sei das schottische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auch ohne die Öl- und Gasreserven so hoch wie im Rest von Britannien. Nein, argumentieren die anderen, ein unabhängiges Schottland hätte ja nicht einmal eine eigene Währung. Man werde einfach das Pfund Sterling behalten, lautet die Antwort. Immerhin hält Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz, der Salmond berät, dies für problemlos machbar. Und wenn die Bank of England eine solche Währungsunion ablehnt? «Dann zahlen wir halt unseren Anteil an der britischen Staatsschuld nicht», sagte vor kurzem Salmond.

Die Wogen gehen hoch. Viele glaubten an eine einseitige Schlacht. Zu gross war der Abstand in den Meinungsumfragen, die vor wenigen Monaten noch sechzig Prozent für, vierzig Prozent gegen die Fortsetzung der Union prognostizierten. Zu ungleich schienen die Kräfteverhältnisse verteilt: auf der einen Seite alle grossen gesamtbritischen Parteien (Tories, Labour, die LiberaldemokratInnen und die neue United Kingdom Independence Party Ukip), auf der anderen die SNP und die schottischen Grünen. Einerseits praktisch alle Printmedien und die BBC, andererseits ein paar engagierte Onlinemagazine. Hier die Spitzen der britischen Militärs und der schottischen Kirche, dort Friedensbewegte und Pfarrer. Für «Better Together» (besser zusammen) die Chefs der grossen internationalen Konzerne, für «Yes Scotland» der Unternehmensverband Business for Scotland (der kürzlich erneut für «fairere gesellschaftliche Verhältnisse» plädierte).

Dass die Stimmung kippte, hat nicht allein mit Basisinitiativen wie der RIC zu tun. Grund dafür war ebenso die Angstkampagne des Nein-Lagers: Die Renten sinken, das schottische Sozialstaatsmodell ist unfinanzierbar, Arbeitsplätze verschwinden, Schottland läuft schnurstracks in den Kollaps. Auch die UnabhängigkeitsbefürworterInnen drohen («Im Fall eines Nein-Siegs kürzen die Tories schon aus Rache die britischen Zahlungen an Schottland», «Wir verlieren den NHS», «Wir riskieren viele weitere Jahre neoliberaler Politik»), argumentieren aber vorwiegend mit dem progressiven Potenzial eines Schottlands von unten. Angst gegen Hoffnung, Status quo gegen Visionen.

Und so kommen – weitgehend frei von nationalistischen Untertönen – Themen auf den Tisch, die bisher noch nie so intensiv öffentlich diskutiert wurden: das Rüstungsprogramm Trident; die Landfrage und die Macht der grundbesitzenden Aristokratie; die Monarchie, über die im Rahmen einer künftigen schottischen Verfassung diskutiert werden könnte; die Chancen für eine neue, zivile Aussenpolitik; die Londoner Kriegspolitik (den Irakkrieg hatten die SchottInnen mit überwältigender Mehrheit abgelehnt); die EU-Zugehörigkeit (die von den traditionell europafreundlichen SchottInnen begrüsst, im englischen Süden aber zunehmend abgelehnt wird); die Verteilung und Nutzung der Ressourcen; die zunehmend migrationsfeindliche Politik der Westminster-Parteien: Schottland, das sagt auch die SNP, brauche mehr Einwanderung, nicht weniger.

«Im Grunde sind wir alle Bastarde»

Alles keine Themen, bei denen die Tories punkten können. Seit herauskam, dass immer dann, wenn Premierminister David Cameron oder Tory-Schatzkanzler George Osborne den SchottInnen mit den Konsequenzen eines Alleingangs drohten, die Zustimmung für ein «Yes» nach oben schnellte, hält sich Englands konservative Elite mit öffentlichen Äusserungen zurück. Doch selbst hochrangige VertreterInnen der schottischen Labour Partei wie der frühere britische Schatzkanzler Alistair Darling haben erkennbar Mühe, ihre Politik des «Weiter so» zu vermitteln.

Für Labour werde es heikel, sagt Allan Armstrong in Edinburg, «egal wie das Referendum ausgeht. Mindestens ein Drittel der traditionellen Labour-Wähler stimmt mit Ja.» Dabei sei Labour früher die Partei der SchottInnen gewesen. Armstrong, der 35 Jahre lang Lehrer und aktiver Gewerkschafter war und jetzt für das dezentrale linke RIC-Bündnis Klinken putzt, weiss, warum Labour derzeit an Zustimmung verliert.

«Schottland war nicht immer links», erläutert Armstrong. «Das begann erst in den achtziger Jahren mit Margaret Thatcher.» Diese habe mit ihrer monetaristischen, am Finanzmarkt orientierten Politik Schottlands industrielle Basis zerstört, Werften geschlossen und Krieg gegen die Bergarbeiter geführt «und hier ihre Poll Tax getestet». Thatchers Kopfsteuer – eine kommunale Abgabe, die für MillionärInnen wie Arbeitslose gleichermassen erhoben wurde – führte in Schottland, wo sie früher eingeführt wurde als in England, zu massenhaften Boykotts, die zu Thatchers Sturz beitrugen. «Aber Tony Blairs New Labour hat daraus nichts gelernt, sondern wie die Tories mit unseren Ressourcen den Aufbau des Londoner Finanzzentrums finanziert.»

Wohlstand, Gemeinsinn, der weit in die Geschichte zurückreichende Widerstand: Verleiht das den SchottInnen eine nationale Identität? Der Widerstand und die Erinnerung an frühere Kämpfe verbänden zwar die Menschen, sagt der frühere Anti-Poll-Tax-Aktivist Armstrong. «Aber im Grunde genommen sind wir alle Bastarde. Über Jahrhunderte hinweg migrierten Iren, Waliser und Engländer hierher, darauf folgten Osteuropäer, Flüchtlinge aus aller Welt, jetzt kommen viele aus Spanien. Der Schotte ist eine Promenadenmischung.»

Nationalistische Töne seien den SchottInnen ziemlich fremd, fügt Armstrong hinzu. «Natürlich gibt es auch bei uns reaktionäre Kräfte. Aber schau dir mal an, wer hier für ein starkes Britannien und die Union demonstriert.» Für Samstag planen die schottischen Ableger des nordirischen Oranierordens und der EU-feindlichen Ukip (siehe WOZ Nr. 19/2014 ) eine Grosskundgebung in Edinburg. «Auch diese Leute gehören zu Schottland», sagt Armstrong, «aber wirklich stark sind sie nur in den traditionell calvinistischen Bezirken.»

Das Know-how nutzen

«Es kommt darauf an, wie in den Arbeitervierteln abgestimmt wird», sagt Bill Kidd, der seit 2007 für die SNP im schottischen Parlament sitzt und dort die Fraktion anführt. Sein Westglasgower Wahlkreis Anniesland ist so ein Quartier – hier schlug einst das industrielle Herz Schottlands, hier und jenseits des Flusses Clyde war es Anfang der siebziger Jahre zum grossen «Work-in» der Werftarbeiter gekommen, die die damalige konservative Regierung in die Knie zwangen. Heute werden nur noch in zwei Werften Schiffe gebaut, die für die Marine bestimmt sind. «Stell dir vor, was ein unabhängiges Schottland mit diesem Reichtum an Know-how anfangen könnte, das ja immer noch da ist», schwärmt Kidd, der Kopräsident des globalen Parlamentarischen Netzwerks für nukleare Abrüstung ist: «Wir könnten die Industrie für zivile Zwecke revitalisieren, die Gewinnung erneuerbarer Energien vorantreiben, unsere Fähren wieder hier bauen lassen.» In London habe daran niemand ein Interesse.

Glauben das auch die Menschen von Westglasgow? An einem Treffen von Werftarbeitern im Gemeinschaftszentrum Heart of Scotstoun scheinen viele davon überzeugt zu sein, dass zumindest der Versuch gewagt werden sollte. Immerhin biete die Industrie besser bezahlte Arbeitsplätze als der von London vorangetriebene Dienstleistungssektor mit seinen prekären Jobs, sagt ein alter Gewerkschafter. Der Applaus ist gross.

Aber geht die Bevölkerung in diesen Quartieren mit ihrer traditionell hohen Wahlenthaltung auch abstimmen? «Bis vor wenigen Tagen haben wir uns noch vor allem darum bemüht, dass die Leute sich registrieren lassen», sagt Bill Kidd. Und es sehe gut aus. Der Abgeordnete erwartet eine Wahlbeteiligung von achtzig Prozent. Damit hätte niemand gerechnet. Schon gar nicht die UntergangsprophetInnen von «Better Together».

Das Referendum: Ja oder Nein

«Soll Schottland ein unabhängiges Land werden?» Diese Referendumsfrage vereinbarten die britische Regierung und die schottische Regionalregierung 2012 im Abkommen von Edinburg. Die Antwort (Ja oder Nein) ist für alle Seiten bindend. Die von vielen SchottInnen bevorzugte Option einer maximalen Autonomie innerhalb des Vereinigten Königreichs (nur für die Verteidigungs- und Aussenpolitik sollte London zuständig bleiben) lehnte Premierminister David Cameron ab: Damals glaubten die UnionistInnen noch an ein leichtes Spiel.

Abstimmungsberechtigt ist, wer seit mehr als zwölf Monaten in Schottland lebt, mindestens sechzehn Jahre alt ist und die Staatsbürgerschaft eines der 53 Commonwealth- respektive der 28 EU-Länder besitzt. Zu den rund 4,2 Millionen WählerInnen gehören somit auch afrikanische und osteuropäische MigrantInnen (die zum Teil aktiv für die Unabhängigkeit eintreten).

Sollte eine Mehrheit für «Yes» stimmen, endet 2016 die Union, die 1707 von den Königreichen England und Schottland beschlossen worden war, bei der schottischen Bevölkerung aber nie auf Begeisterung stiess. Dennoch wurde erst nach dem Niedergang des Britischen Weltreichs, dessen Verwaltung zu einem Drittel von Schotten betrieben wurde, der Wunsch nach (mehr) Unabhängigkeit lauter. Ein erstes Referendum zur Einrichtung eines schottischen Parlaments mit begrenzten Befugnissen scheiterte 1979 an der mangelnden Beteiligung. Dann kamen die Thatcher-Jahre. Das zweite Referendum wurde 1997 mit grossem Mehr angenommen. Im neuen Parlament dominierte erst die Labour-Partei, seit 2007 ist die 1934 gegründete SNP stärkste Kraft: Sie vertritt seit ihrer Linksorientierung und Urbanisierung, die vor zwanzig Jahren begann, jene Werte, die Labour unter Tony Blair preisgab.

Pit Wuhrer

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