«The Samaritans»: Wenn sich der Spott über hilflose HelferInnen ergiesst
Afrika retten? Überhaupt kein Problem. Die kenianische Online-Comedyserie «The Samaritans» verspottet die internationale Hilfsindustrie. Und trifft damit einen Nerv.
Die kenianische Hauptstadt Nairobi ist das ostafrikanische Zentrum der Hilfswerke und ihrer ausländischen ExpertInnen. Sie ist auch ein Ort der Extreme: Teure Allradjeeps überholen Ströme von FussgängerInnen. Wohlstandsviertel stehen neben Slums ohne Kanalisation. Die Gehälter der ExpertInnen, von denen viele noch nie einen Fuss in die quirlige Innenstadt gesetzt haben, treiben die lokalen Mieten in die Höhe. Mehr als 4000 Hilfsorganisationen sind im Land registriert.
Ihr Frieden wird nun gestört durch die kenianische Comedyserie «The Samaritans», die die internationale Hilfsindustrie aufs Korn nimmt. Es geht um eine Nichtregierungsorganisation in Nairobi, die sich selbst hilft und daher folgerichtig Aid for Aid heisst.
«Wir bauen Leben auf»
In der ersten Folge von «The Samaritans» wird ein Werbespot gedreht, «Partnerschaft», «Regierungsführung», «Rahmenbedingungen», hingehauchte Begriffe aus der Welt der Entwicklungshelferinnen und Weltverbesserer, gefilmt in Schwarzweiss, die Ästhetik muss stimmen. Eine Rose gleitet über den nackten Oberkörper eines schwarzen Mannes, der aus Los Angeles eingeflogen wurde, denn die Afrikaner vor Ort sahen einfach «nicht richtig» aus. Wieder die hauchende Stimme: «Was schaffen Sie? Wir bauen Leben auf.» Abspann. – Absurd? Und ob.
Der junge kenianische Medienspezialist Hussein Kurji hatte die Stichworte «NGO» und «Office» in seinem Notizbuch, als eine TV-Messe in Südafrika einen Manuskriptwettbewerb ausschrieb. Gespeist aus den Erfahrungen seiner Freunde im NGO-Sektor, entwickelte er die Serie «The Samaritans», die nach den ersten beiden online veröffentlichten Folgen ein grosses Medienecho und viele ZuschauerInnenreaktionen hervorgerufen hat. «Wir wollen Afrika aus einem anderen Blickwinkel zeigen. Noch nie hat jemand eine Serie über Hilfsorganisationen in Afrika gemacht», sagt Kurji. «Wir kennen die Welt der Juristen und Ärzte aus Anwaltsserien und ‹Emergency Room›, und nun bekommen die Zuschauer Einblick in das Universum von Hilfsorganisationen. Die Serie will keine Botschaft transportieren, aber Comedy kann übertreiben und macht es möglich, heikle Themen mit einem Augenzwinkern anzusprechen.»
Da wäre etwa das Klischee von den HelferInnen (oder SamariterInnen) und den bedürftigen Opfern: Ein junger, unerfahrener US-Amerikaner mit zwei Master-Abschlüssen wird als neuer Direktor des Keniabüros von Aid for Aid eingeflogen und rechtfertigt seinen Posten so: «Ich habe für die NGO meiner Mutter gearbeitet, seit ich sechs Jahre alt war.»
Das Organisationsprofil von Aid for Aid? «Afrika retten». Die Mitarbeitenden sind hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt («Was genau kann man uns stehlen? Unseren Enthusiasmus?»). In den Teamsitzungen herrscht ein Überangebot an Rotwein, Sushi und Pizza – auf Kosten der Organisation, natürlich. Der neue Chef, Scott, erkennt den lokalen Chauffeur nicht wieder, denn «ihr seht ja alle gleich aus». Während Scott halb nackt auf dem Konferenztisch liegt und auf seine Massage wartet, macht sich der angebliche Masseur mit seiner Kleidung auf und davon. Rezeptionistin Elizabeth: «Wie dumm bist du denn? Hast du nicht gesehen, dass das ein Dieb war?» Scott: «Er hatte Massageöl!»
Wie effektiv sind die Projekte?
«The Samaritans» ist nicht der erste künstlerische Beitrag, der die Helferszene satirisiert. Auf Youtube zugängliche Videos wie «I Want to Be an Aid Worker» oder «International Aid Worker Cocktail» beschreiben die naive Vorstellung vom Entwicklungshelfer, der die Menschheit retten will. In «Africa for Norway» (2,8 Millionen Klicks auf Youtube seit November 2012) werden Heizkörper für frierende NorwegerInnen gesammelt. Diesen Clip dachten sich südafrikanische und norwegische Studierende aus. Das Thema trifft einen Nerv: Warum ist Afrika nach Jahrzehnten von Hilfsprojekten und Milliarden Franken an Hilfsgeldern noch immer arm? Auch in der Sachliteratur von Wirtschaftsexperten und ehemaligen Entwicklungshelferinnen wird zunehmend der Entwicklungsansatz und die Spendenpolitik der Industrieländer kritisiert. Was passiert wirklich mit dem Geld? Wie effektiv sind die Projekte? Kein Wunder also, dass sich nun Spott über hilflose HelferInnen ergiesst.
Von «The Samaritans» wurden bislang zwei Folgen produziert, die man auf aidforaid.org gegen eine Gebühr ansehen kann – über 30 000 NutzerInnen haben das in den vergangenen neun Monaten getan. Spenden für weitere Produktionen sind dort willkommen. Während die ersten Folgen durch Crowdfunding und sogar durch die Spende einer NGO finanziert werden konnten, suchen Hussein Kurji und sein Partner Salim Keshavjee nun international nach Produktionsfirmen oder Fernsehsendern, denn die beiden sehen ihr Publikum nicht auf Kenia beschränkt. Man sei in Gesprächen, hält sich Kurji über den bisherigen Erfolg der Suche bedeckt: «Es ist eine Herausforderung, einen Partner zu finden, der die Einzigartigkeit unserer Idee versteht.» Fünf Staffeln mit je zwölf Folgen sind schon konzipiert, unter anderem mit inhaltlicher Unterstützung von 75 bis 80 ZuschauerInnen, laut Kurji meist AusländerInnen, die für NGOs arbeiten oder gearbeitet haben und anonym ihre Erfahrungen und Ideen beisteuerten.
Einer von denen, die weitere Folgen von «The Samaritans» sehen möchten und dafür Geld gespendet haben, ist Pedro. Er arbeitet seit sechs Jahren im NGO-Sektor, zurzeit für eine internationale humanitäre Organisation in Nairobi. Seinen Nachnamen und den Namen der Organisation möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen. «Das Klischee von Organisationen, die versuchen, Probleme zu lösen, die sie den Menschen zuschreiben, statt sie zu fragen, ist sehr gut getroffen», findet er. In Bezug auf die Folge, in der die «Samaritans» einen Antrag auf Fördergelder stellen wollen und dafür mit Scrabble-Steinen nach einem schmissigen Akronym suchen – denn nur darauf kommt es an –, sagt Pedro: «Die Kunden der NGOs sind die Geldgeber, nicht die Leute im Dorf. Das ist allen Beteiligten klar.» Er wünscht sich, dass Kurji und sein Team die Distanz zwischen den Büro- und den Feldentwicklungshelfern in die nächsten Folgen aufnehmen: also zwischen denen, die in unwirtlichen Gegenden Knochenarbeit leisten, und denen in komfortablen Büros in Städten mit exklusiven Restaurants wie Nairobi.
Treffendes Abbild der Realität
«Würden Leute, die nicht im NGO-Sektor arbeiten, die Serie anschauen und verstehen, würden sie sich ihre Spenden genau überlegen», meint Laura Fagiano, die vier Jahre in Kenia für eine italienische Nichtregierungsorganisation gearbeitet hat. Die Serie bilde, bei aller Übertreibung, die Realität gut ab. «Zu neunzig Prozent besteht NGO-Arbeit aus viel Gerede und Herumrennen, ohne dass wirklich etwas passiert. Deswegen habe ich aufgehört.»
Auf ihrer Website zeigt sich die Hilfsorganisation Oxfam von der Serie angetan und gleichzeitig selbstkritisch. «‹The Samaritans› zeigt auf elegante Weise, wie notwendig eine grundlegende Reform der Entwicklungshilfe ist.» Achtzehn Probleme innerhalb von NGOs, die die Serie entlarve, listet Oxfam auf: vom Unwillen, die «Bedürftigen» nach ihren Anliegen zu fragen, bis zum Rassismus unter den MitarbeiterInnen. «In der Satire können wir uns selbst sehen», so das Fazit.
Ob «The Samaritans» den langen Atem haben wird, die ZuschauerInnen über mehrere Folgen oder sogar Staffeln vor dem Bildschirm zu halten, bleibt abzuwarten. Der Reiz dieser Satire ist der Spott über die Hilfsindustrie. Aber auf lange Sicht sind es die Charaktere, die eine Serie tragen. Dann werden selbst die Schurken irgendwann sympathisch – und wer verspottet schon die, die er mag?
Scott, der selbstherrliche neue Direktor von Aid for Aid, hätte dafür sicher eine Lösung: «Das passen wir den Zielen an. Kein Problem.»