Fussball und andere Randsportarten: Stürmer mit Herkunftsbezeichnung

Nr. 11 –

Pedro Lenz über Heimatverbundenheit in globalen Zeiten

Herkunftsbezeichnungen sind bekanntlich Angaben über die Gegend, aus der eine Ware stammt. Wichtig sind sie vor allem bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Wein oder Käse. Auch beispielsweise aus der Uhrenindustrie sind uns Herkunftsbezeichnungen bestens bekannt.

Aber selbst im Fussball kann es vorkommen, dass mit Stolz auf die Herkunft der Ware, pardon, des Personals hingewiesen wird. In Schottland etwa reden die Leute noch heute von den Lisbon Lions, jenem Celtic-Glasgow-Team, das 1967 sensationell den Europacup gewann. Die Heimatverwurzelung jener Truppe, die damals im Final in Lissabon das vermeintlich übermächtige Inter Mailand besiegte, wird immer wieder herausgestrichen, als hätte es sich bei jener Equipe um ein regionales Qualitätserzeugnis gehandelt. Gerade dieser Tage erinnert eine Sonderausgabe des Fussballmagazins «11 Freunde» erneut an die regionale Verbundenheit der Celtic-Elf von 1967: «Alle Spieler dieser Mannschaft stammten aus dem Umkreis des Celtic Parks.»

Inzwischen gehört diese unmittelbare Lokalverbundenheit zwischen Spielern und Verein längst der Vergangenheit an. Bei Arsenal London kam es an manchen Spieltagen sogar schon vor, dass kein einziger Engländer das rot-weisse Trikot trug. Und wenn bei einem Weltklasseteam ein einziger Spieler aus der eigenen Jugendabteilung aufläuft, wird dies meist schon lobend herausgestrichen.

Doch nicht bloss die weltbesten Klubs rekrutieren ihr Personal in der Ferne. Selbst bei ambitionierten Amateurvereinen in der Schweiz spielen oft kaum noch eigene Junioren in der ersten Mannschaft. Das hat zum einen mit dem Erfolgsdruck zu tun, der es meist nicht zulässt, junge Spieler in aller Ruhe an höhere Aufgaben heranzuführen. Zum andern nimmt durch die wachsende Mobilität auch die emotionale Verbundenheit mit dem Stammklub laufend ab.

Der weltweit wohl letzte Grossklub, dem die Herkunftsbezeichnung ein wesentliches Anliegen bleibt, ist der Athletic Club Bilbao. Im 1898 gegründeten Traditionsverein der baskischen Hafenstadt dürfen nur Spieler auflaufen, die entweder aus einer der drei baskischen Provinzen Guipuzcoa, Bizkaia oder Araba, aus dem ehemaligen Königreich Navarra (baskisch Nafarroa) oder dann aus einer Provinz des französischen Baskenlands (Lapurdi, Zuberoa, Nafarroa Behera) stammen.

Eine Ausnahme macht der Verein höchstens, wenn ein Spieler in einer der genannten Provinzen zumindest geboren oder fussballerisch ausgebildet wurde. Diese Erweiterung der Herkunftsklausel hat es möglich gemacht, dass letzten Monat erstmals in der 117-jährigen Klubgeschichte des Athletic Club ein nicht weisser Spieler in der ersten Mannschaft mitspielen durfte. Der 1994 in Bilbao geborene Iñaki Williams, Sohn einer Liberianerin und eines Ghanaers, kam am 6. Dezember im Meisterschaftsspiel zwischen Athletic und Córdoba zu seinem ersten Einsatz im Fanionteam. Am 7. März gegen Real Madrid durfte Iñaki Williams sogar von Beginn weg mitspielen.

Die nicht unbedingt als besonders multikulturell bekannten Fans feierten ihren Jungstar mit Sprechchören. Eine Zeitung schrieb danach, Iñaki Williams habe den Takt angegeben, bis sein Team aus elf Iñakis bestanden habe, die alle in seinem Rhythmus gelaufen seien. Bilbaos Klubleitung, bemüht, den Spagat zwischen ihrer heimatverbundenen Transferpolitik und den Realitäten einer globalisierten Welt zu schaffen, schöpfte eigens für Iñaki Williams die neue Herkunftsbezeichnung «Afrovasco».

Der Afrobaske sei ein hervorragender Stürmer mit viel Zug nach vorne und einem echt baskischen Kämpferherzen, rühmten die Sportgazetten. Dass der junge Mann sich selbst ebenfalls als Afrobaske sieht, darf bezweifelt werden. In einem Interview gab er jedenfalls an, er träume davon, einmal für die Nationalmannschaft Ghanas zu spielen.

Pedro Lenz ist Schriftsteller und lebt in Olten. Bei Käse und Fleisch achtet er auf die Herkunftsbezeichnung, bei Fussballern eher weniger.

Unter dem Titel «Fussball und andere Randsportarten» hat die WOZ die besten Kolumnen von Etrit Hasler und Pedro 
Lenz als Buch herausgegeben. Es ist unter 
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