Energielenkungsabgabe: Gut gemeint, schlecht gemacht
In Britannien sagt man «to put the cart before the horse», der Karren wird vors Ross gespannt. Genau das passiert im Moment in der Energiepolitik. Das Bild ist präziser als das deutsche «das Pferd von hinten aufzäumen».
Der Karren ist gut, das Pferd ist brav, aber in dieser Reihenfolge kann daraus nie etwas werden. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat das Durcheinander angerichtet: Sie stellte Ende vergangener Woche den Gesetzesentwurf für eine Lenkungsabgabe vor. Man wartet schon lange darauf, denn bislang besteht die sogenannte Energiewende primär daraus, dass die Bereitstellung von sauberem Strom subventioniert wird.
Damit reduziert sich aber der Energiehunger nicht. Doch diesbezüglich hat sich der Bundesrat mit seiner «Energiestrategie 2050» hohe Ziele gesetzt: Der gesamte Energieverbrauch soll bis in zwanzig Jahren um 43 Prozent sinken. Ein Wunsch, den man schon lange hegt. Zum Schutz des Klimas trat im Jahr 2000 das CO2-Gesetz in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, den CO2-Ausstoss mittels einer Abgabe zu reduzieren. Dabei sollten die Treibstoffemissionen zwischen 1990 und 2012 um 8 Prozent sinken, effektiv sind sie um 13 Prozent gestiegen. Es passiert also das Gegenteil dessen, was man sich vorgenommen hat, weil die Abgabe vernachlässigbar gering ist: Pro Liter Benzin wird rund ein Rappen bezahlt.
Eine ernst gemeinte, umfassende Lenkungsabgabe könnte es richten. Man verteuert die Energie markant und fährt dafür die Subventionen zurück. Die Idee ist gut. Das abgeschöpfte Geld würde auch nicht in den Staatshaushalt fliessen, sondern an die Bevölkerung und die Unternehmen zurückverteilt. Je höher die Abgabe wäre, desto besser für arme Haushalte, weil sie mehr zurückbekämen, als sie ausgegeben haben, wie eine Studie zeigt.
Das alles liesse sich leicht abwickeln: Die Privaten bekämen zum Beispiel das Geld über die Krankenkasse zurückbezahlt, weil alle krankenversichert sein müssen – die Unternehmen bekämen das Geld über die Unfallversicherung zurückerstattet, weil alle Beschäftigten unfallversichert sind. Nur bei den Selbständigerwerbenden ist noch unklar, wie es zu regeln wäre.
Schlecht an der Vorlage von Widmer-Schlumpf ist nur: Es wird zwar konkret festgeschrieben, wann die Subventionen gestrichen werden, es wird aber nichts darüber gesagt, wie hoch die Lenkungsabgabe sein soll. Zudem soll ausgerechnet der Treibstoff vorerst ausgenommen werden.
Der WWF nennt den Vorschlag des Bundesrats einen «gefährlichen Blindgänger». Zuerst müsste die Lenkungsabgabe greifen und beweisen, dass zum Beispiel die Förderabgabe für erneuerbare Energien überflüssig ist, bevor man sie abschafft. Doch genau das gewährleistet der bundesrätliche Vorschlag nicht, weil er lediglich eine gute Absicht formuliert, aber keine konkreten Zahlen. Er liefert nur unverbindliche Modellrechnungen: In seinem mutigsten Szenario rechnet der Bundesrat, dass das Benzin bis ins Jahr 2030 um 26 Rappen pro Liter Benzin verteuert würde, in den zwei zahmsten Szenarien sind mutlose 0 Rappen eingesetzt.
Die Bürgerlichen beteuern immer, sie wären für eine Lenkungsabgabe, machen aber stets einen Rückzieher, sobald es konkret wird. Aktuell lassen sie verlauten: Jetzt, wo der Franken so stark sei, dürfe man die Energie nicht künstlich verteuern, das könne die Wirtschaft nicht verkraften. Dabei sind dank des starken Frankens Benzin und Erdöl noch billiger geworden – aber es braucht keine logische Argumentation, um dagegen zu sein.
In Wirklichkeit ist die Energie seit Mitte des letzten Jahrhunderts verglichen mit den Lebenshaltungskosten und dem Preis der Arbeit immer günstiger geworden. Hätte der Preis des Benzins mit jenem der meisten anderen Güter Schritt gehalten, würde der Liter heute teuerungsbereinigt 6 Franken kosten, man zahlt aber nur 1.50 Franken.
Bürgerliche wie Wirtschaftsverbände werden eine Lenkungsabgabe nur mittragen, wenn sie in homöopathischen Dosen kommt. Dann hätten sie gewonnen, die Subventionen für die Erneuerbaren wären gestrichen und die Lenkungsabgabe auf ein Minimum geschrumpft. Das Pferd kommt in die Metzgerei, der Karren bleibt zurück. Dann doch lieber ein unaufgezäumtes Pferd ohne Karren.