Medientagebuch: Was Sie knipsen dürfen

Nr. 28 –

Florian Bachmann über Gefahren im öffentlichen Raum

Die Fototasche für den Sommerurlaub ist gepackt. Die Speicherkarten sind formatiert oder die Filme gekauft, die Akkus geladen und die Linsen gereinigt. Doch wo und was darf auf den Reisen durch die Welt überhaupt fotografiert werden? Eine gute Frage, denn das Fotografieren im öffentlichen Raum kann ganz schön kompliziert sein: zwei Meldungen zu Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht.

Am Erscheinungstag dieser WOZ entscheidet das Europaparlament über eine Einschränkung der Panoramafreiheit. Bei einer Annahme dürften in den europäischen Ländern künftig nur noch mit Einwilligung der UrheberInnen urheberrechtlich geschützte Gebäude oder Kunstwerke fotografiert und die Bilder kommerziell genutzt werden. Das Hochladen von Fotos zeitgenössischer Architektur auf Plattformen wie Facebook oder Instagram wäre also ohne Einwilligung des Künstlers oder der Architektin nicht mehr erlaubt. Da sich solche Plattformen in ihren Geschäftsbedingungen die kommerziellen Nutzungsrechte jedweder Fotos und Videos von den UserInnen garantieren lassen, könnten sie ohne Risiko davon profitieren; haftbar wären allerdings die UserInnen.

Dass die Verschärfung der Panoramafreiheit beschlossen wird, erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar eher unwahrscheinlich. Doch allein die Idee, das Bild des öffentlichen Raums einzuschränken, ist zerstörerisch. Für FotografInnen oder Filmschaffende muss eine eigenständige Wahrnehmung dieses Raums weiterhin möglich sein – auch weil dieser Raum und die Leute, die ihn bevölkern, ohnehin mit Überwachungskameras ständig nichtöffentlich festgehalten werden.

Natürlich könnte auch niemand Bilderschwemmen auf den «sozialen Medien» auf Verstösse überprüfen, am wenigsten die UrheberInnen von Bau- oder Kunstwerken selber. Statt nun zum Beispiel in Städten und auf Plätzen eigene Fotozonen zu markieren – ähnlich wie Raucherzonen auf Bahnhofperrons –, um ein möglichst schönes, rechtlich einwandfreies und kontrolliertes Bild der Öffentlichkeit herzustellen, sollte die infrage gestellte Panoramafreiheit besser auf alle Länder ausgeweitet werden. In Frankreich etwa wurde sie bereits eingeschränkt. Wer aber in der Schweiz Urlaub macht, kann jetzt noch unbesorgt seine Liebsten vor allen kulturellen Denkmälern ablichten.

Gegen die Einschränkung der Panoramafreiheit in Europa wehrt sich gegenwärtig der Reisefotograf Nico Trinkaus mit einer Onlinepetition. Auch bei einer Ablehnung am 9. Juli wird die Sache nicht ausgestanden sein, im Herbst soll ein neuer Vorstoss folgen.

Und noch eine Angst bewegt FotografInnen im öffentlichen Raum: jene vor dem Ende der Strassenfotografie, wie wir sie etwa von Henri Cartier-Bresson kennen. Der deutsche Fotograf Espen Eichhöfer zeigte an einer Ausstellung eine Strassenszene mit einer unbekannten Frau im Leopardenfellmantel. Diese verklagte ihn, sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte Schmerzensgeld. In erster Instanz befand das Landgericht Berlin ein Schmerzensgeld für unbegründet, doch das Persönlichkeitsrecht sei verletzt, und so musste Eichhöfers Galerie die Prozesskosten tragen. Das Berliner Kammergericht hat vor gut zwei Wochen dieses Urteil bestätigt. Eichhöfer zieht den Rekurs weiter vor das Bundesverfassungsgericht, um «ein Grundsatzurteil zu erstreiten, damit die unsichere Rechtslage für alle Künstler eine Eindeutigkeit bekommt». Zur Finanzierung der Kosten hat er ein Crowdfunding-Projekt lanciert.

Florian Bachmann ist Fotograf und Filmemacher. Er fragt in der Regel die Leute, die er fotografieren will, was schon zu vielen interessanten Begegnungen führte.

www.startnext.com/streetphotography

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