Aktivismus: Starterkit für Fluchthilfe

Nr. 33 –

Ein idyllisches Bergpanorama: Luftaufnahmen zeigen ein Auto, das einen Pass hinaufkurvt. Im Wagen befindet sich ein älteres Paar, das auf dem Rückweg aus dem Urlaub ist. Das Video, aus dem diese Szenen stammen, könnte ein Werbefilm für Alpentourismus sein. Wäre da nicht der dunkelhäutige junge Mann auf der Rückbank, zu dem die Kamera später schwenkt.

Das aufwendig produzierte Video ist Teil einer Kampagne des Berliner Peng Collective, die vergangene Woche angelaufen ist. Die Gruppe um einen Künstler mit dem Pseudonym Max Thalbach fordert Reisende auf, sich als FluchthelferInnen zu engagieren. Mit ihren Aktionen sorgte das Kollektiv bereits in der Vergangenheit für Aufsehen. Etwa als Aktivisten in der Zentrale des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall den Ausstieg aus der Kohleenergie verkündeten. Oder als vermeintliche Google-Mitarbeiter auf einer Messe Überwachungsprodukte vorstellten.

Die Kampagne «Werde Fluchthelfer.in» gibt auf einer Website praktische Tipps und beantwortet juristische Fragen. «Am besten sollte das Fahrzeug so aussehen, als gehörten die Fahrer.innen in die bürgerliche Mittelklasse», heisst es dort etwa. Es wird auch ein «Starterkit für Fluchthilfe» angeboten – mit Deutschlandfahnenüberzieher für den Seitenspiegel, Strassenkarte für Alternativrouten und Tönungsfolie für die Scheiben. Weil Fluchthilfe illegal ist, wird per Crowdfunding Geld für allfällige Rechtshilfe gesammelt.

Die Anleitung ist nicht ironisch gemeint: Laut eigenen Angaben haben die AktivistInnen bereits 35 erfolgreiche Fluchthilfeaktionen vermittelt.

Das Kollektiv sieht seine Aktionen als Teil einer jahrhundertealten Tradition: Im 18. Jahrhundert half etwa das Underground-Railroad-Netzwerk SklavInnen dabei, in den Norden der USA zu flüchten. Im Zweiten Weltkrieg retteten engagierte FluchthelferInnen in der Schweiz Tausende JüdInnen vor der NS-Verfolgung. Sie wurden, wenn auch erst spät, rehabilitiert. Und in Westdeutschland galt Fluchthilfe für BürgerInnen der DDR als ehrenwert und wurde von der Bundesrepublik sogar unterstützt. «Das eigentliche Urteil wird nicht vor Gericht, sondern in den Geschichtsbüchern geschrieben», heisst es dazu passend im Kampagnenvideo.