Kost und Logis: Das ewig Weibliche

Nr. 37 –

Karin Hoffsten fragt sich, wer hier eigentlich gaga ist

Es gehört wohl zur menschlichen Natur, alle Ereignisse, die vor der eigenen Geburt passiert sind, gefühlsmässig in grauer Vorzeit anzusiedeln – egal ob sie zwei, zwanzig oder 200 Jahre zurückliegen. Ungefähr so erkläre ich mir die Sicht einiger junger Autorinnen auf den Feminismus, die mir ähnlich unbedarft vorkommt wie einst mein jugendlicher Blick auf Fotos schirmschwingender Suffragetten.

So erläuterte die 23-jährige Ronja von Rönne in der «Welt», «warum mich der Feminismus anekelt». Und in der «NZZ am Sonntag» seufzte Claudia Schumacher (28) inbrünstig: «Stirb, hässlicher Feminismus!» Den Feind ortete sie in der Form weiblicher Unterhosen, die «weit und lommelig, weiss und aus Baumwolle» sind, und fragte: «Was um alles in der Welt ist bitte verkehrt an einem jungen Frauenpo in schöner Unterwäsche?» Natürlich nichts. Aber Schönheit liegt anscheinend nicht nur im Auge des Betrachters, sondern entsteht auch unter Mitwirkung physischen Wohlbefindens. Oder wie ein Onlineshop die Abkehr vom Stringtanga erklärt: «Offensichtlich hat niemand mehr Lust auf die Zahnseide zwischen den Pobacken.»

Gerade vor dem Hintergrund solcher Ekelreaktionen gegenüber einer gesellschaftlichen Entwicklung, ohne die diese jungen Frauen gar nicht öffentlich in Erscheinung treten könnten, erstaunt mich, was im Jahr 2015 noch immer Merkwürdiges über Frauen geschrieben wird – nicht nur im Lifestylebund.

Als sich die Anwältin Amal Clooney für die Anerkennung des Genozids in Armenien einsetzte, titelte die «NZZ am Sonntag»: «Die Schöne und das Menschenrecht». Und der «Tages-Anzeiger» meldete im Frühling nicht nur, dass SP-Nationalrätin Chantal Galladé ihr zweites Kind erwarte, sondern auch, wer der Kindsvater sei und mit wem sie zuvor liiert gewesen sei. Ihr Sitz in der Sicherheitspolitischen Kommission erlaubte gleich noch den Hinweis auf weitere gute Hoffnungen: «Pikantes Detail: Neben Galladé sind im 25-köpfigen Gremium auch Evi Allemann (SP, Bern) und Andrea Geissbühler (SVP, Bern) schwanger.» Sich entsprechend pikante Details bei den Herren Ratskollegen auszumalen, dürfte spannend sein.

Ganze zwei Seiten lang verbreitete sich Urs Gehriger in der «Weltwoche» über ein «kräftezehrendes, nutzloses Diven-Duell» zwischen Amal Clooney und Angelina Jolie, unter dem vor allem deren Gatten litten. (Immerhin nannte er diesmal Quellen: diverse «People»-Websites.) Und Regula Stämpfli bezeichnete Rosa Luxemburg jüngst im «Blick am Abend» als «Intelligenzbestie mit Sexappeal».

Die oben genannte Claudia Schumacher erweiterte ihr privates Horrorkabinett in der «NZZ am Sonntag» inzwischen um ein weiteres Phänomen, das sie für feministisch hält: weibliche Achselhaare. Im Dezember wechselt sie übrigens zur «Weltwoche».

Karin Hoffsten hat nicht damit gerechnet, 
nach dem sinnfreien Latzhosendiskurs 
auch noch mit Unterhosen belästigt zu werden.