BBC Radio 6 Music: Vertraulich mit Iggy und Jarvis
Der digitale BBC-Kanal ist das Vermächtnis von John Peel und eine bezugsreiche Indie-Schatzinsel.
Wer diesen Sender einmal entdeckt hat, der wird ihn nicht mehr abstellen: Bei BBC Radio 6 Music kann man jederzeit einsteigen. Ob tagsüber mit Lauren Laverne und Radcliffe and Maconie oder abends mit Marc Riley und Tom Ravenscroft, dem Sohn von Radio-1-DJ-Legende John Peel, ist man sofort mitten im unendlichen Fluss der gelebten englischen Popkultur, bereichert von etlichen Nebenströmungen. Die Neugierde auf jüngste, älteste, zukunftsträchtige Musik, bezugsreich verkettet, ist hier Programm; ein Gefäss heisst nicht umsonst «The Chain».
Sofort ist man mitwissend unter Vertrauten, wenn Tom Robinson («Glad to Be Gay») Sleaford-Mods-Sänger Jason Williamson interviewt oder Ray Davies zum Nachmittagsgespräch kommt. Der 2002 gegründete und 2010 fast eingestellte, aber nach Protesten gestärkte Digitalsender des Staatsradios ist die Schatzkiste unabhängiger, nicht kommerzieller Musik. Und er verfügt über ein einzigartiges Archiv von Radio-Sessions, fast alle organisiert vom 2004 verstorbenen John Peel.
Keine Werbung, wenig News, keine Quasselspasskanonen, «it’s all about the music», gespielt von Instanzen mit wunderbaren Stimmen. So haben Pulp-Sänger Jarvis Cocker oder Punkpionier Iggy Pop eine eigene Sendung. Der Gegenpol ist auch geografisch verortet. BBC 6 sendet nicht aus London, sondern «up north» aus der heimlichen Musikhauptstadt Salford. Viel Unerhörtes, höchst selten hört man zweimal den gleichen Song. Und wenn sie meine alten Lieblinge spielen, dann bestimmt nichts Gängiges, sondern von John Cooper Clarke «Health Fanatic» oder von The Fall «Who Makes the Nazis?». Von wegen: Rechte würden sofort wahnsinnig ob der irren Musik – hier folgt Shirley Bassey auf Protomartyr, Popol Vuh auf Ramones, Charles Mingus auf The Green Door Allstars.
Und noch etwas Horror: «Iggy Confidential» kündigt vertraulich Halloween-Specials mit Trashfilmikone John Waters und den Sleaford Mods an. Wir sind dabei, ganz intim. Mittlerweile hören zwei Millionen zu. Es gibt noch Hoffnung fürs Musikradio.