Los Lobos: Hinter den Toren aus Gold
Aus dem Hispanic-Viertel von Los Angeles zu weltweitem Erfolg – Los Lobos thematisieren auf ihrem neuen Album die Erfahrungen der mexikanischen EinwanderInnen in den USA.
Man kennt sie seit ihrem Hit «La Bamba». Das mexikanische Volkslied, das zuerst von Richie Valens in den sechziger Jahren bekannt gemacht wurde, katapultierte die Gruppe Los Lobos 1987 aus dem Hispanic-Viertel von Los Angeles auf Platz eins der US-Charts und bescherte ihr weltweite Popularität. Seither sind «die Wölfe» nicht mehr einfach bloss irgendeine Rockgruppe aus dem Osten von Los Angeles, wie ihr Debütalbum «Just Another Band from East L. A.» in Anlehnung an einen Albumtitel von Frank Zappa mit viel Understatement behauptete. Vielmehr sind Los Lobos im Lauf ihres über vierzigjährigen Bestehens zum musikalischen Aushängeschild der mexikanischstämmigen Minderheit in den USA geworden. Sie geben den 34 Millionen sogenannten Chicanos eine Stimme, die fast zwei Drittel der 56 Millionen US-amerikanischer Latinas und Latinos ausmachen. Mit siebzehn Prozent der Gesamtbevölkerung bilden diese inzwischen die zweitgrösste ethnische Gruppe in den USA.
Nach fünf Jahren ist nun ein neues Album der Formation erschienen. Es enthält keine radikalen Neuerungen, sondern streicht die Qualitäten ihrer Musik abermals heraus. Die Gruppe steht für eine würzige Mischung aus Rock ’n’ Roll, Country, Rhythm and Blues und Rock, angereichert mit Cumbia-Rhythmen und Klängen, deren Ursprung in die Zeit vor 1836 zurückreicht, als Texas noch zu Mexiko gehörte. Mit «La Tumba» enthält das Album sogar eine waschechte Tex-Mex-Nummer mit wimmerndem Akkordeon und ergreifendem Harmoniegesang auf Spanisch.
«Gates of Gold» heisst der Titelsong. Er thematisiert die Erfahrungen der EinwanderInnen südlich des Rio Grande, die sich auf eine ungewisse und gefahrenvolle Odyssee ins gelobte Land begeben – schwankend zwischen Hoffnung und Verzweiflung: «Welchen Weg gehen wir? Ich kann nicht behaupten, dass ich das wüsste», heisst es im Refrain des Lieds. «Einige sagen, dass es ein Land ist, wo man nie alt wird, aber nur der Herr weiss, was sich hinter den Toren aus Gold befindet.»
Von Mutters Platten inspiriert
Als Los Lobos 1973 zusammenkamen, bildeten mexikanische Folksongs das musikalische Ausgangsmaterial. «Wir gingen die Schallplattensammlung der Mutter unseres Gitarristen César Rosas durch, die aus Hermosillo in Mexiko stammt, und versuchten, einige der alten mexikanischen Nummern zu lernen», erinnert sich Saxofonist Steve Berlin, der einzige Nicht-Chicano der Gruppe. «Wir spielten damit herum, merkten aber bald, dass wir das gar nicht spielen konnten – zu schwierig! Das flösste uns Respekt vor dieser Musik ein.»
Mitte der sechziger Jahre gelangte die Tex-Mex-Musik, die die traditionelle mexikanische Volksmusik mit Blues und Rock ’n’ Roll verband, erstmals über die Barrios, die Stadtteile der Latinos und Latinas, hinaus. Nach Richie Valens’ Erfolg mit «La Bamba» hatte das Sir Douglas Quintet aus San Antonio in Texas ein paar Hits, die den Popstil weltweit bekannt machten. In den siebziger Jahren führte der bekannte US-Gitarrist Ry Cooder die Spur fort. Mit dem Akkordeonisten Flaco Jiménez spielte er in einer «Chicken Skin Revue» Tex-Mex-Polkas und -Walzer. Ehemalige Mitglieder des Sir Douglas Quintet schlossen sich in den achtziger Jahren zur Gruppe Texas Tornados zusammen – schliesslich betraten Los Lobos die Bühne.
Von Anfang an betonten sie ihre Identität als Amerikaner mexikanischer Herkunft. Mit «La Pistola y el Corazon» veröffentlichten sie 1988 sogar ein Album, das ausschliesslich spanisch gesungene Tex-Mex- und Mariachi-Nummern sowie die als Corridos bezeichneten Balladen enthielt. Mit «The Town and the City» folgte 2005 eine Art Konzeptalbum, das in einfühlsamen Songs die Stationen eines individuellen Emigrantenschicksals nachzeichnete – aus der Heimat in die Fremde.
«Müde Seelen mit leeren Händen»
Damit reihten sich Los Lobos in eine lange Tradition der politisch gefärbten Songs ein, wie sie die spezielle Problematik der mexikanisch-amerikanischen Grenzregion hervorbringt: Lieder, die auf ungeschönte Weise von einer unerbittlichen Realität berichten. «Um auf die andere Seite zu kommen, gibt es viele Möglichkeiten», heisst es im Lied «Los Ilegales» von Valerio Longoria. «Einige bezahlen mit Geld, andere mit dem Leben.»
Los Lobos singen nicht nur gegen eine Realität aus Grenzzäunen und Wachtürmen, Bewegungsmeldern und Nachtsichtgeräten an. In Liedern, die unter die Haut gehen, schildern sie die konkreten Erfahrungen von «müden Seelen mit leeren Händen» und geben so dem anonymen Flüchtling ein Gesicht. Auch wenn sich die südkalifornische Combo nicht als Politband begreift und auch Liebeslieder und fetzige Tanznummern im Repertoire hat, treibt sie doch das Schicksal von Leuten um, deren einziges «Verbrechen» darin besteht, wie einst ihre Eltern dem Versprechen von einem besseren Leben gefolgt zu sein. In Zeiten, in denen Ressentiments und Vorurteile überschwappen und die Hispanics von republikanischen Präsidentschaftskandidaten als «Kriminelle, Drogenhändler und Vergewaltiger» verunglimpft werden, setzen Los Lobos ein Zeichen.
Los Lobos: Gates of Gold. Proper