Schweiz–EU: «Schutzklausel» ist kein Ausweg

Nr. 50 –

Eine naive Idee hat derzeit Hochkonjunktur: CVP, BDP, GLP, Wirtschaftsverbände, die NZZ – alle teilen die Meinung von FDP-Präsident Philipp Müller zur Umsetzung der «Masseneinwanderungsinitiative»: «Drosseln wir die Zuwanderung nicht in Kürze, haben wir bald eine neue Initiative auf dem Tisch, die noch radikaler ist.» Also: Man muss der SVP etwas entgegenkommen, dann nimmt man ihr den Wind aus den Segeln.

Das hat auch der Bundesrat vor. Letzten Freitag stellte er seinen Plan vor, die SVP-Einwanderungsinitiative umzusetzen: Zum einen will er weiterhin mit der EU nach einem Kompromiss suchen, um die Zuwanderung zu begrenzen. Da der Bundesrat aber weiss, dass sich die EU kaum auf einen solchen Kompromiss einlassen wird, will er zum anderen bis März einen Vorschlag für eine einseitige «Schutzklausel» vorlegen. Jährlich will die Schweizer Regierung dann Höchstzahlen für das jeweils folgende Jahr festlegen.

Damit nimmt der Bundesrat der SVP aber nicht den Wind aus den Segeln. Im Gegenteil: Die SVP kann es den anderen Parteien überlassen, die Klausel möglichst weich auszugestalten, damit sie die EU nicht verärgert. (Die EU verärgern will nämlich auch die SVP nicht: Der dominierende Wirtschaftsflügel der Partei würde von EU-Strafaktionen empfindlich getroffen.) So kann die SVP ihr gewohntes Spiel abziehen: Sie wird den anderen Parteien vorwerfen, den «Volkswillen» zu missachten – und jedes Jahr wird sie auf den Bundesrat schiessen, wenn dieser die Höchstzahlen festlegt. So sichert sie sich ihren nächsten Urnenerfolg. Zudem wird sie argumentieren, dass es mit der «Schutzklausel» keine flankierenden Massnahmen mehr braucht, um die Arbeitnehmenden zu schützen.

Dabei liegt genau bei solchen nichtdiskriminierenden Massnahmen der Schlüssel, um der SVP den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vor allem die unteren sozialen Schichten empfinden die Zuwanderung als Bedrohung: StimmbürgerInnen mit einem Monatseinkommen unter 3000 Franken haben der Einwanderungsinitiative mit 70 Prozent zugestimmt, solche mit (lediglich) obligatorischem Schulabschluss mit 77 Prozent, Arbeitslose mit bis zu 85 Prozent.