Nach der Klimakonferenz: Das Versprochene einfordern

Nr. 51 –

Man riskiert, überoptimistisch zu sein, wenn man aus der Euphorie heraus schreibt. Und die Euphorie in Paris war gross, nachdem Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius, der Präsident der Uno-Klimakonferenz, am Samstagabend das Abkommen von Paris für beschlossen erklärt hatte. An der anschliessenden Party tanzten Verhandlerinnen ausgelassen mit Politanalysten von Umweltorganisationen.

Blenden wir also zurück auf den Mittwoch vor der Entscheidung. Noch war ein Scheitern möglich, noch wurde hart gestritten. Fabius hatte soeben seinen zweitletzten Textentwurf vorgelegt. An einer improvisierten Pressekonferenz der Umwelt- und Entwicklungsorganisationen fielen nüchterne Worte. Aber gleichzeitig war bereits klar, dass etwas erreicht worden ist, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. «Paris creates momentum», sagte Michael Brune, Direktor der US-Umweltorganisation Sierra Club – Paris verleiht Schwung.

Klar: Man rettet die Welt nicht, indem man beschliesst, sie dürfe nicht untergehen. Ein Text, dem 195 Staaten zustimmen, ist ein Kompromiss. Das Geld, mit dem die reichen Staaten die armen in ihrem Kampf gegen den Klimawandel unterstützen sollen, reicht nirgendwohin. Der Vertrag verpflichtet die Staaten, ihre klimapolitischen Zusagen regelmässig zu überprüfen, aber nicht, sie zu verschärfen, und er sieht keine Sanktionen vor. Und was an Zusagen vorliegt, ist sehr weit weg von dem, was das Abkommen erreichen will: die globale Erwärmung auf «deutlich unter 2 Grad zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, um sie unter 1,5 Grad zu halten».

Aber hey: Die Vereinten Nationen haben – ohne Gegenstimme – beschlossen, das Zeitalter der fossilen Energien zu beenden, mithin den wichtigsten Treibstoff der Weltwirtschaft seit dem 19. Jahrhundert aufzugeben!

Zwar ist das Wort «Dekarbonisierung» in der vorletzten Überarbeitungsrunde aus dem Vertragstext gefallen; nun steht da schwammig, dass die Treibhausgasemissionen in der zweiten Jahrhunderthälfte netto null erreichen müssen. Und dass die bisherige Politik bei weitem nicht ausreicht, um das Ziel zu erreichen, stellt das Abkommen in der Präambel «mit ernstem Bedenken» selbst fest. Zudem fällt es schwer zu glauben, dass Länder wie Russland oder Saudi-Arabien es ernst meinen könnten.

Doch «Paris» setzt ein Ziel, auf das man sich berufen kann. Nach «Paris» hat ab sofort ein Rechtfertigungsproblem, wer neue fossile Energiequellen erschliessen will, eine neue Pipeline, ein neues Kohle- oder Gaskraftwerk plant oder einen Flughafen ausbauen möchte. Jeder in die Fossilwirtschaft investierte Franken kann jetzt mit Bezug auf «Paris» hinterfragt werden. Ein Freihandelsabkommen, das die Diskriminierung fossiler Energie verbieten will (vgl. «Handel, Handel über alles» ), bringt Regierungen in Erklärungsnot. Es ist jetzt an den BürgerInnen und den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Verantwortlichen ihrer Länder darauf zu behaften, was sie beschlossen haben.

Der Erfolg wurde möglich dank vieler Faktoren. Entscheidend für die Dynamik der letzten Konferenztage war die Initiative der EU und der AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik), eine «Koalition der hohen Ambitionen» zu gründen, der alsbald weitere Staaten beitraten, darunter die USA, Brasilien, die Philippinen – und auch die Schweiz. Die Koalition bekannte sich zum 1,5-Grad-Ziel.

Die Schweiz hat ihre Klimapolitik bisher am 2-Grad-Ziel orientiert und schon dafür zu wenig gemacht. Wird sie ihre Politik neu ausrichten? «Schon mit dem 2-Grad-Ziel bleibt noch viel zu tun», sagte Bundesrätin Doris Leuthard der WOZ abwehrend, «und Sie kennen ja unser Parlament.» Womit sie ja Wahres sagt – aber man würde sich von einer Umweltministerin doch etwas mehr Führungswillen erhoffen. Zudem, so Leuthard, wolle man nun erst einmal den nächsten Bericht des Weltklimarats IPCC abwarten. Als bliebe dafür Zeit, als wäre das nötig. «Hohe Ambitionen» heisst etwas anderes.

«Paris» ist ein immenses Versprechen, aber es erfüllt sich nicht von selbst. Seine Feinde sind nach wie vor mächtig. Jetzt gilt es, den Schwung zu nutzen und das Versprochene einzufordern. Jetzt beginnt die grosse Arbeit.

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