Kinofilm «As I Open My Eyes»: Im Sommer vor der Revolution

Nr. 12 –

Farah ist achtzehn, hat gerade ihren Mittelschulabschluss gemacht und lebt als Tochter einer mittelständischen Familie in Tunis. Sie soll Ärztin werden, doch Farah (Baya Medhaffar) will davon nichts wissen: Sie ist Sängerin einer Rockband und hat ihr Leben der Musik verschrieben. Frei will sie sich ausdrücken und im Leben bewegen. Sie singt und liebt leidenschaftlich.

Wir sind im Sommer 2010, als in Tunesien niemand ahnt, dass wenige Monate später die tunesische Revolution stattfinden wird. Leyla Bouzid rekonstruiert in ihrem ersten Langspielfilm die Zeit ihrer Jugend unter dem Regime von Ben Ali. Denn – so Bouzid – die Repression dieser Ära werde allzu schnell vergessen.

Im Haus von Farahs Familie herrscht Beklemmung, der Vater ist abwesend – denn weil er nicht Parteimitglied ist, bleibt ihm ein lukrativer Job in der Metropole verwehrt. Es ist hier die ängstliche Mutter, die ihre Tochter vergeblich vor allen möglichen Folgen ihres Freiheitsdrangs schützen will. Dazu unterhält sie Beziehungen zu zwielichtigen Informanten, die sie auch bezahlt. Als die Situation eskaliert, weil Farahs Band bespitzelt wird, will die Mutter ihre Tochter zum Vater in den Süden schicken. Doch Farah entzieht sich der mütterlichen Aufsicht. Sie verschwindet im Busbahnhof – und landet später auf einer Polizeistation, wo sie von zwei Beamten unter unwürdigen Belästigungen über ihre Band ausgefragt wird.

Aber eigentlich ist «As I Open My Eyes» auch ein Musikfilm mit viel Sinnlichkeit und arabisch-tunesischem Rock, gespielt von AmateurmusikerInnen nach Stücken des irakischen Komponisten und Oudspielers Khyam Allami. Doch es gelingt der Regisseurin Leyla Bouzid nicht so recht, ihre Protagonistin zu einer authentischen Figur aufzubauen. Zu vielfältig sind die Nebenschauplätze, die im Film teils nur ganz beiläufig angedeutet werden, wie eine kurze Einstellung vom Streik in der Phosphatmine bei Gafsa, wo bereits im Jahr 2008 ein sechsmonatiger Aufstand stattgefunden hatte – ein wichtiger Vorläufer zur Jasminrevolution.

Ab 24. März 2016 im Kino.

As I Open My Eyes. Regie: Leyla Bouzid. Tunesien 2015