Von oben herab: Sex Bomb
Stefan Gärtner über den Auftritt von Frauke Petry im Mystery Park
Knapp vorbei ist ja bekanntlich auch daneben; aber warum nur ist die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» keine für eine neutrale und unabhängige? Dann wäre nämlich dem Berner «Bund» zufolge «an einem Konzert der deutschen Band K.I.Z. vom Ostersonntag in der Grossen Halle der Reitschule ein Transparent aufgetaucht, auf dem es unter anderem heisst ‹Anus-Versammlung in Bern verhindern›», und dann hätte Anus-Präsident Lukas Reimann grimmig twittern können: «Das meinen die Linksfaschisten der Reithalle zu unserem Jahresthema ‹Meinungsfreiheit› an der Anus-GV», und alles wäre gut. Denn gegen die Zivilität und Schönheit eines Anus-GV müsste eins so viel weniger haben als gegen dieses ungeile Patriotentum, das sich über den Besuch der jungen Dame Petry von der Alternative für Grossdeutschland ein (zweites) Loch in den Ast freut.
Ein schlechter Witz? In jeder Beziehung; und tatsächlich nur halb so gut wie die Entscheidung des Weltgeistes, die rechte Generalversammlung vom erwartbaren Berner «Hotel National» in einen ehemaligen «Mystery Park» in Matten bei Interlaken zu verlegen. Der Park heisst heute «Jungfraupark», und hier haben wir jetzt die Wahl: uns über die Vereinigung von Dumm und Dümmer unterm Zeichen jener «verdreckten Mystik» zu freuen, die der faktisch expatriierte Thomas Mann im Tagebuch vom 7. September 1933 dem nationalen deutschen Sozialismus vorhielt; oder auch den Jungfraupark im Sinne Hegels unbedingt freudig abzunicken. Ist doch Frauke Petry, diese eiserne Jeanne d’Arc der zeitgenössisch Völkischen, weltweit die einzige Jungfrau mit vier Kindern.
Über die kaputte Erotik rechten Treibens (oder eben Nichttreibens) ist viel geschrieben worden, und am gängigsten ist wohl die Formel, wonach nationale Sehnsucht sich umgekehrt proportional zur Grösse des (männlichen) Geschlechtsteils verhält. Konservative Geschichtsbetrachter wie Haffner und Fest, aber auch linke Soziologen wie Theweleit haben auf den sexuellen bzw. sexualpathologischen Charakter nationaler (Massen-)Erregung (sic!), durchaus auch bei der Frau, hingewiesen, und die Spekulation ist vielleicht unverschämt, aber nicht untriftig, dass Petrys viel zitierter Ehrgeiz der einer asketischen Protestantin ist, die einem evangelischen Pfarrer zwar pflichtgemäss vier Kinder geschenkt hat, deren strahlende Verkniffenheit und kältestherzige Ansichten in puncto Schusswaffengebrauch wider Flüchtlingskinder aber Ausdruck einer Sehnsucht nach dem ganz Anderen sind. Die sich als freilich unterdrückte in die Angst vorm schwarzen Mann verkehrt.
«Das sind nicht alles Flüchtlinge. Man muss den Mut haben, auch Menschen nach Syrien zurückzuschaffen» – weg muss das in jeder Hinsicht dunkle Begehren, denn wenn da unten schon was explodieren muss, dann bitte als Fassbombe in Aleppo. Der Jungfraupark, weiss Wikipedia, widmet sich «der Präsentation ‹unerklärlicher und doch real fassbarer› Welträtsel. Initiator des Mystery Parks war Erich von Däniken.» Denn schon den Führer hatten ja einst die kleinen grünen Männchen geschickt, und dieselbe Vorsehung schickt uns nun das kleine braune Frauchen (= Frauke!), vor dem die kleinen braunen Männchen Männchen machen. Ganz züchtig, versteht sich, wenn freilich auch in Interlaken, lies: zwischen den Laken …
«Alles ist freundlich wohlwollend verbunden» (Brentano). Mir wird fürwahr die Bux zu weit.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.