Von oben herab: Programmentscheidung

Nr. 24 –

Stefan Gärtner über eine Sendung am Herd

Ich bin eher kein Chauvi. Ich bügle meine Hemden selbst, koche für Frau und Kind und akzeptiere mit Erleichterung, dass meine Frau mit genau der praktischen Intelligenz gesegnet ist, die mir so umfänglich abgeht. Wenn der Junior später mal ein Velo hat, das nicht mehr will, und ich sagen kann: «Frag Mama, die kann das besser als ich», dann ist das für ihn eine sehr schöne Genderlektion in Sachen Geschlechterrollen, und sozialistisch ist es auch («Jedem nach seinen Fähigkeiten»).

Es bitzeli Chauvi bin ich allenfalls dann, wenn im deutschen Fernsehen Maybrit Illner in ihrer grässlichen Sendung sitzt und ich in den Sekunden zwischen Entdecken und Wegzappen immer denke, dass Maybrit Illner so guckt, als denke sie: Mein Gott, für diesen nichtswürdigen Irrsinn, den mitzuveranstalten wahrscheinlich «Karriere» heisst, habe ich auf Familie verzichtet …

Eine Frage, die sich Irrsinnsmitveranstalter wie Frank Plasberg oder Jonas Projer nie stellen werden und auch nie stellen müssen, und dass meiner Frau trotzdem so was wie Karriere gelingen könnte, liegt u. a. daran, dass ihr Mann ganz bestimmt keine macht und den lieben langen Tag kritisch aus dem Fenster guckt. In Deutschland gibt es die sog. Elternzeit, die sich die Eltern teilen können, und in allen mir bekannten Fällen ist es aber so, dass die Väter zwei, die Mütter zwölf Monate zu Hause bleiben, schon weil die Männer mehr Geld verdienen, aber auch, weil die Chefs aufs Humankapital nicht länger als nötig verzichten wollen und Männer (finden die Männer) weniger verzichtbar sind als Frauen. Frauen können ja später in Teilzeit gehen (und bleiben). Männer gehen nicht in Teilzeit, es sei denn vor der Rente, und die Hausarbeit wird nach wie vor nicht gemeinsam erledigt, Männer «beteiligen sich daran». Sie arbeiten ja schon im Büro.

Soll frau (BRD) es da tröstlich finden, dass das Patriarchat in der Schweiz noch viel strenger ist? Und dass die vielgescholtene «Arena»-Sendung mit dem vielgescholtenen Titel «Frauen an den Herd?» nur spiegelt, «auf welchem Niveau die Geschlechterdebatte in der Schweiz geführt wird», wie der «Tages-Anzeiger» klagte? Weil «nur zwölf Prozent aller Väter Teilzeit arbeiten, nur sieben Prozent aller Paare mit Kindern sich Haushalt und Berufstätigkeit hälftig teilen. In Sachen Gleichstellung hinken wir hinterher. Hoffnungslos. Die Schweiz belegt OECD-weit den zweitletzten Platz, was die Anzahl Frauen im Berufsleben angeht. In keinem anderen Land ausser Holland ist der Anteil an weiblichen Arbeitskräften so gering wie hier und tragen die Frauen finanziell so wenig zum gemeinsamen Haushalt (und zur Volkswirtschaft) bei wie bei uns.»

Natürlich kann man, wie die SP, dann lamentieren über Talksendungen wie «Arena», wo «tendenziöse» Themen von der «rechten Agenda» den Vorzug bekämen. Fernsehen ist aber immer reaktionär, und statt empört zu tun, könnten die Schweizer Sozialdemokraten (und -innen) sich mal fragen, wer die lahme Frauenpolitik der letzten Jahrzehnte im Konkordanz- und Initiativland mitverantwortet. In Deutschland will dieselbe SPD, die mit den Hartz-Gesetzen «die staatliche Abwicklung des persönlichen Ruins» (Thomas Steinfeld) ins Werk gesetzt hat, plötzlich wieder «links» werden. Es ist beste sozialdemokratische Programmatik, die Scherben immer jenes Porzellans aufkehren zu wollen, das man selbst hat fallen lassen.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.