Kost und Logis: Hilfe, ich habe Ja gestimmt!
Ruth Wysseier über Konsequenz und grüne Wirtschaft
«Ein Leben ohne Flüge, ohne Privatauto, ohne Billigfleisch und mit viel weniger Wohnfläche» – das hat uns Bettina Dyttrich in ihrem Leitartikel zur Abstimmung letzte Woche in der WOZ verordnet. Dass ich in einem der vier Verzichtsgebiete nicht durchfalle, weil ich kein Gammelfleisch kaufe, kann mich auch nicht beruhigen. Beunruhigend finde ich natürlich auch, dass wir mit unserer Art, zu leben und zu wirtschaften, dabei sind, den Planeten zu ruinieren. Aber können wir diese Gefahr nicht mit etwas weniger einschneidenden Massnahmen bannen? Kann die Erde nicht Hand bieten zu einem Ablasshandel? Den Flug mit Myclimate kompensieren, Fotovoltaik aufs Dach und das nächste Auto ein Hybrid? Wenigstens für uns auf dem Land mit dem weggesparten ÖV?
Das ist wohl pures Wunschdenken, auch wenn die Grünen ähnlich rosig tönen: Es gehe bei ihrer Initiative weder um Verzicht noch um Massnahmen bei den KonsumentInnen, sondern um Technologieförderung und Kreislaufwirtschaft, versprechen sie. Die Proargumente leuchten mir ein, sie sind mit soliden wissenschaftlichen Fakten unterlegt.
Reingelegt und subito zum Ja getrieben hat mich die gegnerische Kampagne. Der Hauseigentümerverband erschreckt uns mit einer grünen Riesenschlange, die ein verängstigtes Einfamilienhäuschen erdrückt, das Komitee «Grüner Zwang Nein» versucht es mit Fangfragen: Bist du Vegetarier? Duschst du kalt? Bleibst du in den Ferien zu Hause? Tippt man dreimal Nein, wird man umgehend aufgefordert, sich gegen die Initiative zu wenden. Tippt man dreimal Ja, soll man ebenfalls dagegen sein. Und dann noch die Phalanx der gegnerischen Komiteeköpfe: Das ganze rechtsbürgerliche Parlament tritt an. Da konnte ich wirklich nicht anders, als sofort meine Ja-Stimme in den Briefkasten der Gemeinde Ligerz zu werfen.
Und nun sagt mir die WOZ, die Neinkampagne nehme die Initiative ernster als die Grünen selbst, und am Verzicht führe kein Weg vorbei.
Der Markt wirds nicht richten, so viel ist klar. Nicht nur, weil sich Leute mit wenig Einkommen das Biofleisch, das Minergiehaus und den Tesla nicht leisten können. Auch die bewussten und betuchten KonsumentInnen verhalten sich blind, scheint mir – sonst würden die in der Schweiz am häufigsten verkauften Bioweine nicht alle aus dem Ausland über Distanzen von mehr als tausend Kilometern herbeigekarrt. Und es wird mächtige Lenkungsabgaben und Verbote brauchen, damit zum Beispiel die Zürcher SkifahrerInnen nicht demnächst für 75 Franken mit Swiss ins Wallis fliegen.
Kreislaufwirtschaft gefällt mir, die praktizieren wir im Weinbau schon lange. Was wir dabei gelernt haben: Mit einer Mischung von Aufklärung und Vorschriften ist immenser ökologischer Fortschritt machbar. Noch immenser wuchsen nur der Kontrollapparat und die Bürokratisierung. Da braucht es schon viel Sinn für Humor, um das als Chance für ein neues Jobwunder zu betrachten.
Ruth Wysseier ist Winzerin und WOZ-Redaktorin.