Fumoir: Nicht mit uns!
Ruth Wysseier über die chancenlose Ferien-Initiative
Die Travail-Suisse-Initiative «Sechs Wochen Ferien für alle» hat einen schweren Stand in diesem Land der protestantischen Arbeitsbienen – das sympathische Anliegen droht kolossal zu scheitern. Die InitiantInnen müssen sich schwere taktische Fehler vorwerfen lassen. Was haben sie vermasselt?
Erstens: Falscher Ansatz.
Welche Initiativen haben bei uns eine Chance? Das sind sicher nicht solche, die das Leben für alle angenehmer machen oder mehr Gerechtigkeit bringen, sondern Initiativen mit unsympathischen Anliegen, die sich in den meisten Fällen gegen etwas richten, zum Beispiel gegen Minarette, Minderheiten oder Menschenrechte. Ein leichtes Spiel hätte zum Beispiel die Forderung: «Gegen dreizehn Wochen Ferien für Lehrpersonen – sechs Wochen für alle sind genug!» Die SVP würde reflexartig eine Plakatkampagne mit verwahrlosten, weinenden Schulkindern und faulenzenden, hässlichen und hochdeutsch sprechenden Lehrerinnen lancieren. Die «Weltwoche» würde enthüllen, dass im Schuldienst ausschliesslich Feministinnen und Wehrdienstverweigerer arbeiten, die antiautoritäre Erziehung, Sexualaufklärung und Political Correctness (Lehr-«personen»!) lehren, statt mit den Kleinen Diktat und Arithmetik zu pauken. Diese Initiative würde haushoch angenommen, weil Schulversager, Neiderinnen, Hochdeutsch-Allergische, Frustrierte plus überforderte Eltern eine Mehrheit ergeben – und die sechs Wochen wären im Schlafwagen erreicht.
Zweitens: Falsche Zielgruppe.
Wo gewinnt man eine Initiative? Naturgemäss an der Urne. Welche Bevölkerungskreise gehen nun am häufigsten an die Urne? Die, die bald selbst in einer landen, die Pensionierten. Wer profitiert nicht von sechs Wochen Ferien für alle? Dito. Es kann also kaum überraschen, dass eine Mehrheit der Pensionierten gegen die Ferien-Initiative ist. Sie hocken daheim, fühlen sich unnütz und müssen als Dank dafür, dass sie all die Jahre klaglos gekrampft haben, gekürzte Renten und steigende Krankenkassenprämien schlucken. Sie verklären in der Erinnerung ihr Berufsleben, wo sie auch mal einen Lehrling zusammenstauchen durften und ihren Milchkaffee aus der Thermoskanne tranken statt im Migros-Restaurant, wo sie nun die Zeit zwischen Zmörgele und Mittagsschlaf totschlagen. Eine Initiative, die diese Zielgruppe an Bord holt, müsste lauten: «Das Vaterland ruft – Rentner als Ferienvertretungen zurück in die Betriebe!» Die sechs Wochen Ferien könnten so als Opfer zugunsten der Ausgemusterten statt als Geschenk an die Werktätigen verkauft werden. Dankbar würden die Alten in Scharen zurück an die Arbeit strömen, gratis und franko, sie würden die KMU retten und so manche Arbeitspause auflockern mit Erzählungen darüber, wie früher alles viel strenger war.
Drittens: Hoffnungslose Fälle.
Hopfen und Malz respektive Trauben und Text verloren ist mit der Forderung nach mehr Ferien bei meinen BerufskollegInnen, und zwar sowohl in der WOZ wie auch im Weinbau. Nicht genug damit, dass sich die WOZ-Leute unter vierzig – und das ist eine satte Mehrheit – mit mageren vier Wochen begnügen: Manche beziehen nicht einmal die, weil ihnen die Arbeit so viel Freude macht. Und die Winzerkollegin, die sich einmal in ihrem Leben von ihrem Mann zu drei Wochen Dominikanische Republik überreden liess, um einen ausgewanderten Freund zu besuchen, erlebte die schlimmste Zeit ihres Lebens: In der ersten Woche machte sie sich pausenlos Sorgen um den Betrieb daheim, die zweite verbrachte sie mit Durchfall auf dem Klo, und in der dritten packte sie ein so gewaltiges Heimweh, dass sie seither vom Ferienmachen die Finger lässt.
Ruth Wysseier ist WOZ-Redaktorin und Winzerin.