USA im Übergang: Ausblick ins Trump-Land

Nr. 46 –

Immer mehr wird absehbar, wie eine neue Regierungspolitik unter Donald Trump aussehen wird: Freie Bahn den Konzernen, Kampf dem gesellschaftspolitischen Fortschritt, Krieg gegen Minderheiten und Unterprivilegierte.

Es sind berührende Interviews, die das linke TV-Programm «Democracy Now!» am Wochenende ausstrahlte. Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Herkunft erklärten in New York am Rand einer Demonstration, dass sie unter der Präsidentschaft von Donald Trump Angriffe auf sie und ihre Community fürchten würden.

«Ich habe gedacht, ich hätte einen Platz in diesem Land», sagt ein dunkelhäutiger Mann, «jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.» Ein anderer glaubt, dass die New Yorker Polizei nun wieder wahllos Dunkelhäutige anhält und durchsucht, wie dies der frühere Bürgermeister Rudi Giuliani zur Strategie erklärt hatte. Giuliani zählt zu Trumps engstem Beraterstab. Marsah, eine ältere Frau, erzählt, wie sie in den fünfziger Jahren die Schule vorzeitig abbrechen musste. Als Lesbe habe man sie zum Psychiater schicken wollen. «Gay-Bashing war damals ein nationaler Sport.» Als Reaktion auf Trumps Wahlsieg will sie sich jetzt mit ihrer langjährigen Freundin verheiraten – solange sie noch können.

Darin liegt die Besonderheit an der Wahl von Donald Trump, und es ist auch der Grund, weshalb im ganzen Land gegen ihn demonstriert wird: Viele Menschen sehen ihn als konkrete Bedrohung. Und einige seiner extremsten AnhängerInnen werden bereits aktiv. Es häufen sich Meldungen von Übergriffen und Hassbotschaften: An Kirchenmauern werden Nazislogans gesprüht, Muslime auf der Strasse werden angepöbelt, Schulkinder von KlassenkameradInnen verbal attackiert, weil sie nicht weisser Hautfarbe sind. Hotlines für Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle werden derweil mit Anfragen überhäuft.

Bündnis mit Rechtskonservativen

Donald Trump wurde zwar erst vor einer Woche gewählt, doch deutet bislang alles darauf hin, dass die Ängste berechtigt sind. So signalisiert Trump mit der Ernennung Stephen Bannons zum Chefberater, dass er seine Verbindungen zur rechtsextremen Szene aufrechterhalten will: Als Publizist war Bannon dafür verantwortlich, dass die ultrarechte Website «Breitbart News» zur Plattform für offenen Rassismus und Sexismus wurde (siehe WOZ Nr. 37/2016 ).

Den formell weit einflussreicheren Posten des Stabschefs hat Reince Priebus erhalten. Diese Besetzung macht klar, dass Trump in gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Fragen die Nähe zum rechtskonservativen Flügel der Republikanischen Partei sucht. Priebus wird eine Art Türwächter im Weissen Haus spielen und den Kontakt zum Kongress pflegen. Dort bekommt er es mit seinem alten Freund Paul Ryan zu tun, dem Vorsitzenden des Repräsentantenhauses.

Ryan, der Trump lange bekämpfte, hat diesem nach dem Wahlsieg Unterstützung zugesichert. Priebus und Ryan haben es verstanden, die establishmentfeindliche Tea-Party-Strömung mit den traditionell konservativen und neoliberalen Kräften innerhalb der Partei zusammenzubringen. In ihrem Heimatstaat Wisconsin haben die beiden Politiker massgeblich zum Aufstieg des jetzigen Gouverneurs Scott Walker beigetragen. Walker steht für eine extrem gewerkschaftsfeindliche Politik. Und er unternimmt alles, um Abtreibungen zu erschweren. Ein von Walker verschärftes Wahlgesetz könnte ausserdem massgeblich zu Trumps knappem Wahlsieg in Wisconsin beigetragen haben.

Bei der Zusammensetzung seines Transition Team – des Gremiums, das für die Besetzung von rund 4000 Chefposten in der neuen Verwaltung verantwortlich ist – scheint Trump jedoch Mühe zu bekunden. Verschiedene US-Medien berichten von heftigen Machtkämpfen. Nach der Absetzung von Chris Christie, des einigermassen moderaten ehemaligen Gouverneurs von New Jersey, ist jetzt der designierte Vizepräsident Mike Pence Vorsitzender. Auch Pence ist ein Vertreter der ultrakonservativen Strömung, die in gesellschaftspolitischen Fragen das Rad zurückdrehen will. Wie Trump und Myron Ebell, der im Transition Team für die Neubesetzungen in der Umweltbehörde EPA verantwortlich ist, ist Pence darüber hinaus ein Leugner des Klimawandels.

Im Transition Team finden sich aber auch viele LobbyistInnen aus der Wirtschaft, die dafür sorgen werden, dass unter der Regierung Obama eingeleitete strengere Kontrollen und Auflagen etwa des Finanz- und Energiesektors wieder rückgängig gemacht werden. Ein grosses Anliegen der neuen Regierung dürfte die Abschaffung oder Aufweichung des Dodd-Frank Act sein, eines Gesetzespakets, das nach der Finanzkrise von 2007 den Banken stärkere Regelungen auferlegte. Die Kurse der Bankaktien – inklusive derer von UBS und CS – schnellten nach Trumps Wahl denn auch in die Höhe.

Trumps Wirtschaftspolitik wird keinen ökonomischen Wachstumsschub bringen und damit auch nicht die versprochenen neuen, guten Jobs. Vielmehr wird sie den Kasinokapitalismus weiter ankurbeln. Das grosse Infrastrukturprogramm, das Trump noch am Tag seiner Wahl ankündigte, dürfte an den fehlenden Budgetmitteln scheitern. Denn die Steuern will Trump senken. Gleichzeitig werden die Grosskonzerne die versprochene Abkehr von der Freihandelspolitik verhindern.

Grossstädte kündigen Widerstand an

Van Jones, der afroamerikanische Aktivist und einstige Berater der Obama-Regierung in Energiefragen, erwartet deshalb, dass Trump gewissermassen als Ablenkung von seiner erfolglosen Wirtschaftspolitik einen «Krieg» gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung führen wird. Das ist nicht aus der Luft gegriffen. Gleich im ersten TV-Interview nach der Wahl wies Trump auf seine erste Priorität hin: die Ausschaffung von zwei bis drei Millionen angeblich kriminellen Sans-Papiers. Trump wird also weiterhin hetzen und lügen, denn die Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen. Die Aussage lässt erwarten, dass ein grosser Teil der elf Millionen Sans-Papiers mit Verfolgung rechnen muss.

Insbesondere jene Sans-Papiers müssen sich bedroht fühlen, die in den vergangenen Jahren staatliche Schutzmassnahmen beansprucht haben. Seit 2012 können sich Menschen, die als Kind in Begleitung der Eltern illegal in die USA einreisten, registrieren lassen und eine befristete Arbeitsbewilligung erlangen. Diese Deferred Action for Childhood Arrivals (DACA) haben rund eine Million Menschen in Anspruch genommen. Präsident Trump kann nun diesen Schutz mit einem Federstrich wieder aufheben. Das besonders Perfide daran: Wer ins DACA-Programm aufgenommen werden wollte, musste den Behörden eine Unmenge an Daten zu sich und seinen Verwandten liefern. Es wird befürchtet, dass sich die Immigrationsbehörden dieser Daten bedienen könnten.

Derzeit ist offen, ob das Parlament den Prioritäten Trumps tatsächlich folgen wird. Und es bleibt abzuwarten, wie stark sich die Protestbewegung gegen Trump ausweitet. Gerade grosse liberale Staaten wie New York und Kalifornien werden sich einer Politik gegen Minderheiten und MigrantInnen entgegensetzen. Auch aus den grössten Städten ist bereits Widerstand hörbar: Die Bürgermeister von Chicago und New York sowie der Polizeichef von Los Angeles haben in den letzten Tagen angekündigt, dass sie die Zusammenarbeit mit einer von Trump entfesselten Immigrationspolizei verweigern wollen.