Kommentar zur vereinfachten Einbürgerung: Überfällig, aber mutlos

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Am 12. Februar wird erneut über die vereinfachte Einbürgerung von AusländerInnen der dritten Generation abgestimmt. Es muss ein Ja werden.

Welche Sportart wird offiziell nur in der Schweiz ausgeübt? Wer sich im Kanton Aargau einbürgern lassen will, muss das wissen. Ein Einbürgerungsverfahren ist aufwendig, kostet zwischen mehreren Hundert und 2000 Franken und hängt von den richtigen Antworten auf patriotische Fragen ab. Die konkreten Abläufe variieren dabei je nach Kanton und Gemeinde.

Als Kind oder EhepartnerIn eines Schweizers oder einer Schweizerin kann man sich vereinfacht einbürgern lassen – das ist günstiger, und der allfällige Einbürgerungstest und eine allfällige Befragung der Bürgerkommission entfallen. Ob sich bald auch junge AusländerInnen der dritten Generation vereinfacht einbürgern lassen können, darüber wird am 12. Februar abgestimmt. Das Parlament hat für die Initiative «Ja zur dritten Generation» einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Dabei muss man glaubhaft machen können, dass mindestens ein Grosselternteil hier geboren wurde oder ein Aufenthaltsrecht besass. Zudem muss ein Elternteil in der Schweiz geboren sein und mindestens fünf Jahre hier die Schule besucht haben. Die Person selbst muss ebenfalls hier geboren sein, mindestens fünf Jahre zur obligatorischen Schule gegangen sein und unter 25 Jahre alt sein – damit sie, falls verpflichtet, keinesfalls den Militär- oder Zivildienst umgehen kann. Tritt das Gesetz in Kraft, dürfen aber während fünf Jahren auch die unter 35-Jährigen ein Gesuch stellen.

Die Diskussion über die vereinfachte Einbürgerung von jungen, in der Schweiz aufgewachsenen AusländerInnen ist alt. Erste Bestrebungen gab es schon 1920. Später scheiterten entsprechende Gesetzesänderungen immer wieder an der Urne: 1983, 1994 und 2004. Die letzte Vorlage war noch wesentlich ambitionierter als die heutige: Der Bundesrat wollte damals die erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation und die automatische für die dritte einführen – 56,8 Prozent Nein-Stimmen.

Nun, dreizehn Jahre später, versucht man es zwar nochmals, dafür aber umso mutloser. ParlamentarierInnen von den Grünen über die SP, FDP und GLP bis zur CVP, BDP und EVP unterstützen die Vorlage. Nichtsdestoweniger bleiben Secondos und Secondas erst einmal aussen vor, und es braucht viel, um die technisch-theoretischen Voraussetzungen zu erfüllen. Ob die Enkelin eines Migranten einen Schweizer Pass besitzt oder nicht, ist gewissermassen zufällig: Es hängt davon ab, ob die Eltern – als Secondas und Secondos – sich erstens gegen eine Einbürgerung entschieden haben und zweitens ein Kind mit einem anderen Nichtschweizer oder einer anderen Nichtschweizerin gezeugt haben. Andernfalls wird die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation hinfällig – das Kind hätte einen Schweizer Elternteil und könnte den Schweizer Pass ohnehin einfacher beantragen.

Von der Gesetzesänderung profitieren würden etwa 25 000 Personen. Bei gut zwei Millionen AusländerInnen, die in der Schweiz leben, sind das nicht viele. Zudem sieht die Gesetzesänderung keinen Automatismus vor, für die erleichterte Einbürgerung wäre nach wie vor ein Gesuch nötig. Wie viele davon Gebrauch machen würden, ist unklar.

Die meisten NichtschweizerInnen der dritten Generation könnten sich wohl sowieso einbürgern lassen, wenn sie wollten. Dass man aber schon länger über die erleichterte Einbürgerung von jungen AusländerInnen diskutiert, als deren Grosseltern in die Schweiz eingewandert sind, ist absurd, hat doch der sogenannte Migrationshintergrund der dritten Generation nicht einmal einen Namen – «Terzos/Terzas» ist bislang alles andere als geläufig. Sie gehören zur hier lebenden Bevölkerung. Die parlamentarische Initiative ist somit nicht nur mutlos und technisch-theoretisch, sondern auch längst überfällig – wenn auch noch weit weg vom Ziel einer Welt ohne Grenzen und Pässe und ohne die damit verbundenen Privilegien und Hierarchien.

«Schwingen» wäre übrigens die richtige Antwort auf die Frage aus dem Einbürgerungstest.