Auf allen Kanälen: Armer Superbösewicht

Nr. 9 –

Der Fall Milo Yiannopoulos zeigt exemplarisch, wie schillernde neurechte Medienstars profitieren, ob sie bejubelt, geduldet oder angefeindet werden.

Milo Yiannopoulos

«Feminismus ist wie Krebs», «Empfängnisverhütung macht Frauen unattraktiv und irr» und «Viele von uns wünschen sich Hillary auf den elektrischen Stuhl. Äh, ich meinte natürlich in den Rollstuhl! Oder was habt ihr denn gedacht? Die Ärmste wird sicher bald einen Rollstuhl brauchen.» Oder: «Muslimische Immigranten werden mit ihren bekannten Leckereien bei uns ankommen: Lammkoteletts, Joghurt und Massenvergewaltigungen!»

Solche Sätze brachten dem 32-jährigen Briten Milo Yiannopoulos einen Job als leitender Redaktor bei der rechten Onlineplattform «Breitbart». Und darüber hinaus: einen lukrativen Buchvertrag beim renommierten Verlag Simon & Schuster, der etwa auch die Bücher von Stephen King, Hillary Clinton oder Hunter S. Thompson herausbringt, sowie eine Einladung, an der CPAC-Konferenz aufzutreten, dem konservativen Branchentreffen, an dem die versammelten US-Rechten gerade Ende Februar Donald Trump abgefeiert haben.

Nicht nur seinen Fans, auch seinen GegnerInnen ist Yiannopoulos ein gern diskutiertes neurechtes Sumpfblümchen. Immer wenn es gerade nützt, zückt er seinen Passepartoutsatz «Ich bin schwul» – wahlweise verweist er auch auf eine jüdische Grossmutter und natürlich stets auf die Redefreiheit. Aus dieser aggressiv deklarierten Minderheitenposition heraus kann er als selbsternannte «Homoschlampe vom Dienst» noch ungehinderter Hass über alles verbreiten, was ihm nicht passt. Im Visier hat er alle, die sich (s)einer angestammten weissen männlichen Überlegenheit in den Weg stellen.

Geschmiertes Schmiermittel

Nur wenige Tage vor dem grossen Knall sitzt Yiannopoulos noch in der Talkshow des bekannten Trump-Gegners Bill Maher, der gleichzeitig ein Islamhasser ist. Die joviale TV-Begegnung ist ein weiterer Meilenstein in der öffentlichen Normalisierung der extremen Rechten. Man verbrüdert sich über eine gemeinsame Verachtung von Transmenschen, durchaus vorhandene Uneinigkeiten rücken dagegen in den Hintergrund.

Dann taucht im Netz ein Video auf, das alles verändert. In einem Interview aus dem Jahr 2016 relativiert Yiannopoulos zuerst das Verbot von Sex mit Minderjährigen und macht nachher noch einen Witz darüber, dass er selbst als Junge von einem Priester missbraucht worden sei. In Umlauf gebracht hat das Skandalvideo der konservative Blog «The Reagan Battalion».

Auch der aufsehenerregende «Grab them by the pussy»-Clip mit Donald Trump in der Hauptrolle war damals aus dem republikanischen Dunstkreis in die Öffentlichkeit gespielt worden. Unterdessen hat man aber dazugelernt. Der notorische Sexist ist trotz Outing zum US-Präsidenten gewählt worden – man musste definitiv anderes Geschütz auffahren, um jemanden zu erledigen. Yiannopoulos’ Verteidigung von Sex mit Kindern kam da gerade recht. So wurde «Milo, der wunderbarste Superbösewicht», wie er sich stolz nennt, zermalmt von einer Instanz, die er selbst gern bedient und geschmiert hat: der medialen Skandalmaschine. Heute steht er ohne Job und Buchvertrag da.

Nützlicher Geldesel

Die Verlogenheit und die Doppelmoral, die zum Sturz von Yiannopoulos geführt haben, sind eklatant: Gegen Frauen und Minderheiten zu hetzen, ist okay, die Verteidigung von Pädophilie hingegen führt zur sofortigen gesellschaftlichen Ächtung. Ebenso schwer wiegt aber, dass Figuren wie Yiannopoulos die gesamte Medienindustrie auf Trab halten, nicht nur die rechten Plattformen. Milo sells. Im Reich der Klickzahlen ist es unwichtig, ob sie wegen Ablehnung oder durch Zuspruch in die Höhe schiessen. Auch der Verlag Simon & Schuster hielt so lange am Buchvertrag fest, wie man sich ausrechnen konnte, dass der prominente Autor Geld in die Kassen spülen und die Aufmerksamkeit von Empörten wie Fans anheizen würde. Erst als dies gefährdet schien, liess man ihn fallen.

Mit ethischen Beweggründen hat dieses Fallenlassen offensichtlich nichts zu tun, Yiannopoulos hat bloss seine Nützlichkeit als Geldesel verloren. Und noch etwas anderes ist zentral. Hinter den unterhaltsamen Kulissen des Milo-Theaters deportiert, hetzt und dekretiert Präsident Trump unermüdlich weiter. Auch der ehemalige «Breitbart»-Chef Stephen Bannon, wichtigster Förderer des nun gestrauchelten hassspeienden Jünglings, sitzt weiterhin als rechte Hand neben dem mächtigsten Mann der Welt und gestaltet dessen Politik entscheidend mit.