Kost und Logis: Kein Mädchenpensionat

Nr. 11 –

Karin Hoffsten hat für einmal rein gar nichts zu meckern

Mitten in Zürich, direkt neben dem Stauffacher, wurde am 8. März «Josephine’s Guesthouse for Women» eröffnet. Ich durfte einen Augenschein nehmen – und war begeistert.

Das ist nicht selbstverständlich, dank biografischer Prägung ist mir das Prinzip «for women only» – ausser in Sauna und WC – von jeher suspekt. Daran konnte auch die einstige These der Frauenbewegung, nur unter sich könnten Frauen ganz entspannt und frei von Konkurrenzgefühlen sein, wenig ändern. Doch das rein weibliche Gästehaus machte mich neugierig.

Gemeinsam mit anderen Frauen und Männern finde ich mich also in einem lichtdurchfluteten Raum auf dem Dach ein, um mehr über Haus und Projekt zu erfahren. Auf Augenhöhe mit dem Kirchendach von St. Jakob ermöglicht die breite Fensterfront mit Zugang zur Dachterrasse einen Blick bis zum Üetliberg. Für uns gibts Häppchen und Getränke, den Gästen des Hauses wird hier oben das Frühstück serviert; eine gut eingerichtete Küche ermöglicht ihnen, sich auch mal selbst eine Mahlzeit zuzubereiten.

Eigentümerin des Hauses ist die Stiftung Compagna, früher bekannt als Verein Freundinnen Junger Mädchen, in dem ab 1886 ehrenamtlich arbeitende Damen den jungen Frauen, die auf Arbeitssuche vom Land in die Städte kamen, mit Rat und konkreter Hilfe beistanden. Heute hat die Stiftung ihre Strukturen professionalisiert und ihre Aufgaben der Zeit angepasst.

Mit seinem Namen setzt das Guesthouse der britischen Frauenrechtlerin und Sozialreformerin Josephine Butler ein Denkmal. «Josephine’s» ist nach den Zürcher Hotels Lady’s First und Marta das dritte Projekt, das Compagna in erfolgreicher Kooperation mit der gemeinnützigen Frauenhotel AG an die Hand nimmt. Beide Hotels, in denen auch männliche Gäste willkommen sind, sind Integrationsbetriebe und bieten Frauen mit sozialen und psychischen Beeinträchtigungen betreute Arbeitsplätze.

«Josephine’s» wird als Pension geführt und steht jeder Frau offen, ob sie nur einmalig übernachten möchte, eine Überbrückung während der Wohnungssuche braucht oder für ein Austauschsemester in Zürich weilt. Die Preise sind sehr moderat.

Die soziale Besonderheit von «Josephine’s» zeigt sich in einer erweiterten Nutzung: Von insgesamt 38 Zimmern sind 8 für Frauen in Notsituationen reserviert, die in Zusammenarbeit mit den Zürcher Sozialdiensten vergeben und finanziert werden. Und die 38 Zimmer haben es in sich: Aufgrund baulicher Gegebenheiten ist keines wie das andere, jedes ist hell, hat ein eigenes Bad, die Möblierung ist schlicht und zugleich einladend, und aus allen Fenstern zeigt ein Blick, wie reizvoll städtisches Wohnen sein kann.

Natürlich können wir am Ende die Frage nicht lassen: Wie hält es «Josephine’s» mit Herrenbesuch, vulgo: dem gegengeschlechtlichen One-Night-Stand? Worauf die Direktorin der Frauenhotel AG milde lächelt: «Wir sind kein Mädchenpensionat.» Nur frühstücken muss er woanders.

Dem Prinzip «for men only», das nach wie vor die Welt regiert, kann Karin Hoffsten noch viel weniger abgewinnen.