Was weiter geschah: Doppelte Ignoranz im Fall Txapartegi
«Die Schweiz ist Komplizin in diesem System der Folter und Vergewaltigung», lässt Nekane Txapartegi durch ihre Anwältin ausrichten. Indem sie nicht als Folteropfer anerkannt werde, würden auch die Taten negiert – als hätten Folter und Vergewaltigung in Spanien nie stattgefunden. Die baskische Aktivistin fühlt sich erniedrigt und gedemütigt durch den Entscheid der Schweizer Behörden, sie an Spanien auszuliefern: Einmal mehr hätten sexistische Machtstrukturen dazu geführt, dass sie als Folteropfer nicht anerkannt werde.
Seit einem Jahr sitzt Txapartegi in Zürich in Auslieferungshaft. In Spanien drohen ihr fast sieben Jahre Gefängnis, da sie die baskische Separatistenorganisation Eta unterstützt haben soll. Das Urteil beruhe auf einem Geständnis unter Folter, sagt die 44-Jährige. Die Weltorganisation gegen Folter, international renommierte medizinische und psychiatrische Gutachter sowie Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Terre des femmes und humanrights.ch stützen ihre Aussage. Nichtsdestotrotz glauben ihr die Schweizer Behörden nicht: Ende März hat das Bundesamt für Justiz das spanische Auslieferungsgesuch bewilligt, wenige Tage später lehnte das Sekretariat für Migration (SEM) Txapartegis Asylgesuch ab.
Die Schilderungen der baskischen Aktivistin seien «unvorstellbar», schreibt das SEM im Entscheid, der der WOZ vorliegt. Deshalb soll die Verurteilung in Spanien «rechtsstaatlich legitim» gewesen sein. Auch sei «rätselhaft», weshalb Txapartegi nicht bereits im Gefängnis der Guardia Civil im März 1999 Foltervorwürfe geäussert habe. Damit macht das SEM der damals 26-Jährigen zum Vorwurf, dass sie es versäumt habe, ihre Peiniger direkt mit deren Taten zu konfrontieren. Dies obwohl Txapartegi sogar unmittelbar nach ihrer Freilassung im Juni 1999 Anzeige wegen Folter erstattet hatte.
Das Bundesamt für Migration wie auch das Bundesamt für Justiz verhalten sich vollkommen ignorant – indem sie den Fall zu wenig gründlich untersucht und internationale Gutachter ignoriert haben und weil sie geschlechtsspezifische Fluchtgründe ausser Acht lassen und sexualisierte Polizeigewalt sowie systematische Folter als per se «unvorstellbar» abtun.
Nachtrag zum Artikel «Blutergüsse? Das ist nur Dreck» in WOZ Nr. 13/2017 .