Südkorea vor der Wahl: Lässt Moon die Sonne scheinen?

Nr. 18 –

Moon Jae In hat gute Chancen, neuer Präsident Südkoreas zu werden. Der Sozialliberale setzt sich für mehr Gleichheit im Land ein und will den Dialog mit Pjöngjang wieder aufnehmen.

Bei seinen Auftritten ist Moon Jae In die gute Laune anzusehen. Der 64-jährige sozialliberale Kandidat der Demokratischen Partei Koreas (DPK) hat bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl am 9. Mai die besten Chancen, als Sieger ins Blaue Haus, den präsidialen Amtssitz in Seoul, einzuziehen. Aus dem Umfeld der im März wegen Amtsmissbrauch und Korruption ihres Amtes enthobenen Präsidentin Park Geun Hye hat er keine Konkurrenz zu befürchten. Vor einigen Tagen schickte er seinem Wahlkampfteam per SMS die freudige Botschaft: «Ich fühle den Sieg in meinen Knochen.» Er, die DPK und auch das Volk, so Moon, würden triumphieren.

Kernthemen: China und der Norden

Neben Moon stehen vier weitere KandidatInnen zur Wahl, von denen allerdings nur Ahn Cheol Soo von der zentristischen Gungminui-Partei (Partei der Bürger) eine echte Chance hat. Ahn ist Mediziner und Ingenieur und hat an renommierten Universitäten in Südkorea und den USA studiert. Der 55-Jährige baute sein Unternehmen Ahn Lab zum landesweit grössten Softwareentwickler für Computersicherheit auf. Daneben hat die 58-jährige Sim Sang Jung von der fortschrittlichen Gerechtigkeitspartei aufhorchen lassen. Sim entstammt im Gegensatz zu den anderen Kandidaten einfachen Verhältnissen, war lange Zeit Fabrikarbeiterin und hat sich in Arbeits- und Gewerkschaftskämpfen profiliert. Sie ist die einzige Kandidatin, die sich für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transpersonen einsetzt.

Ein Kernthema des Wahlkampfs ist die Haltung des Landes zur Volksrepublik China. Der grosse Nachbar ist nicht nur ein wichtiger Handelspartner, sondern als engster Verbündeter Nordkoreas auch am ehesten dazu in der Lage, mässigend auf die Ambitionen des Regimes auf nukleare Aufrüstung einzuwirken. Zuletzt hat Beijing indes die Installierung des US-Raketenabwehrsystems Thaad (Terminal High Altitude Area Defense) in Südkorea kritisiert und als Gegenmassnahme einen Boykott südkoreanischer Produkte verhängt sowie den Tourismus nach Südkorea stark gedrosselt.

Moon Jae In hat die Thaad-Installierung als «überstürzt» bezeichnet. Er verfolgt damit einen Kurs, der an das Jahrzehnt der «Sonnenscheinpolitik» anknüpft: Von 1998 bis 2008 hatten die beiden Präsidenten Kim Dae Jung (1998–2003) und Roh Moo Hyun (2003–2008) versucht, das Verhältnis zu Nordkorea zu entschärfen. Beide Politiker waren in ihrer Amtszeit in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang gereist, um die Aussöhnung zwischen Nord und Süd voranzutreiben. Moon ist ein alter Weggefährte Rohs: Vor Jahren hatte er gemeinsam mit dem Expräsidenten in der Hafenstadt Busan eine Anwaltskanzlei betrieben, die sich für verfolgte nordkoreanische Menschen- und BürgerrechtlerInnen einsetzte. 2002 leitete er dann Rohs Wahlkampagne und bekleidete nach dessen Sieg führende Positionen im Blauen Haus, unter anderen das Amt des Stabschefs.

Diesmal ohne Cyberwar

Innenpolitisch kann Moon im laufenden Wahlkampf damit punkten, dass er sich für eine Entflechtung von Politik und Wirtschaft einsetzt, was sich vor allem gegen die Chaebol genannten grossen Finanz- und Wirtschaftskonglomerate richtet. Ausserdem will er Wohnungen für junge Ehepaare und Haushalte mit niedrigem Einkommen bauen und darauf hinarbeiten, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Sein Gegenspieler Ahn setzt dagegen vor allem auf «wirtschaftliche Innovation», die der wachsenden Zahl von HochschulabsolventInnen Jobperspektiven eröffnen soll. Im Wahlkampf wirkte er indes blass und selbstherrlich.

Trotzdem sah es vor einigen Wochen noch so aus, als würde alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Moon und Ahn hinauslaufen. Die jüngsten Umfragen zeigen nun, dass Moons Vorsprung komfortabel ist: Ende April gaben 44 Prozent an, ihn wählen zu wollen, während Ahn auf 23 Prozent abgesackt ist.

Geschieht nichts Unvorhergesehenes, wird Moon also der zwölfte Präsident Südkoreas werden. Es ist sein zweiter Anlauf: Im Dezember 2012 war er Park Geun Hye noch knapp unterlegen. Diese hatte damals gemeinsam mit den Spitzen des Geheimdiensts und Teilen der Armee alles dafür getan, Moon als «gefährlichen Linken» und «Sympathisanten Nordkoreas» zu diskreditieren: Der Geheimdienst und eine militärische Cyberwar-Einheit hatten in sozialen Netzwerken millionenfach Botschaften platziert, die Park anpriesen und vor ihrem Konkurrenten warnten. Diese illegale Parteinahme brachte dem Geheimdienstdirektor Anfang 2015 eine dreijährige Haftstrafe ein.