Basel: Aufruf zum Ungehorsam

Nr. 27 –

«Renitente» Basler Fussballfans sollen neuerdings bei der Polizei zu sogenannten Gefährderansprachen antraben. Ohne Gesetzesgrundlage.

Bei Basler Fussballfans sorgt derzeit ein Brief für Aufruhr, unterzeichnet von einem Hauptmann der Basler Kantonspolizei – sowie von Gerold Dünki, dem «Senior Security Adviser» des FC Basel. Erhalten haben ihn zahlreiche Fussballfans, die mit einem Rayon- oder Stadionverbot belegt worden waren und deren Strafe bald abläuft. Wer der Einladung folgt, den erwartet eine sogenannte Gefährderansprache. Die Massnahme soll erzieherischen Charakter haben, es ist ein pseudoväterlicher Appell an die Vernunft der «renitenten» Fans.

Der freisinnige Basler Justizdirektor Baschi Dürr präsentierte denn die «Gefährderansprache» auch als eine jener «sanften» Massnahmen, die in Basel nach den jüngsten Fussballkrawallen auf der Eventplattform des St.-Jakob-Parks getroffen wurden. Wie problematisch das ist, lässt sich bei genauem Hinsehen jedoch leicht erkennen.

Basel kennt sogenannte Gefährderansprachen aus dem Bereich der häuslichen Gewalt. Seit anderthalb Jahren läuft ein entsprechendes Pilotprojekt, das der Polizei erlaubt, «auffällige» Personen zu einer freiwilligen Gewaltberatung einzuladen. Der Regierungsrat hat die Massnahme in einer Verordnung beschlossen, nach dem Pilotversuch sollen rechtliche Grundlagen im Polizeigesetz geschaffen werden.

Tanja Soland, Basler SP-Grossrätin und Mitglied der Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz, sagt: «Die Massnahme ist speziell für den Bereich der häuslichen Gewalt konzipiert. Sie ohne politischen Prozess auf Fussballfans zu übertragen, ist höchst problematisch.» Soland kritisiert aber nicht nur die fehlenden rechtlichen Grundlagen: «Drei Aspekte sind äusserst heikel», sagt sie. Anders als bei den anvisierten potenziellen Tätern im häuslichen Bereich laufe gegen die meisten betroffenen Fussballfans bereits ein Verfahren. «Wenn nun die Polizei jemanden zum Gespräch aufbietet, ist nicht garantiert, dass getroffene Aussagen nicht protokolliert und verwendet werden. Auch wenn die Polizei beteuert, das nicht zu tun.»

Kritisch sieht Tanja Soland auch die Zusammenarbeit von Polizei und Fussballklub: «Privatpersonen dürfen keine polizeilichen Aufgaben übernehmen, denn sie sind nicht an demokratische Grundrechte gebunden und unterstehen auch nicht dem Datenschutz. Der Sicherheitsverantwortliche eines Fussballklubs kann nach einem solchen Gespräch alles ausplaudern.» Zur «Gefährderansprache» werden in Basel Fans auch nach leichten Regelverstössen aufgeboten. Einen Hinweis auf die Freiwilligkeit des Gesprächs sucht man im Brief vergebens; wer nicht auftaucht, wird in einem zweiten Brief darauf hingewiesen, dass der Verband eine grundsätzliche Verschärfung der Massnahmen plane.

Wie weit im Fussball Repressionsmassnahmen im Namen der Prävention gehen können, zeigt das Beispiel Deutschland: Dort gibt es längst rechtliche Grundlagen für «Gefährderansprachen», mittlerweile werden auch Eltern jugendlicher Fussballfans über das Gewaltpotenzial ihrer Kinder «aufgeklärt». Selbst dann, wenn sich diese bis anhin nichts zuschulden kommen liessen. «Solche Fantasien gibt es auch in der Schweiz», sagt die bekannte Zürcher Ultra-Anwältin Manuela Schiller. «Man muss deshalb jede neue Massnahme genau auf ihre Grundrechtskonformität prüfen.» Schiller vertritt als Anwältin einen betroffenen FCB-Fan. Sie hat ihm geraten, nicht am Gespräch teilzunehmen. Auch die Basler Juristin Tanja Soland sagt: «Ich rate jedem davon ab. Und ich kenne auch keinen Fan, der den Termin wahrgenommen hätte.»

Der Brief beschäftigt mittlerweile auch die Politik: SP-Grossrat Claudio Miozzari hat beim Basler Regierungsrat eine Interpellation eingereicht, die diesen unter anderem mit der Frage nach den rechtlichen Grundlagen für die Präventionsmassnahme konfrontiert.