Von oben herab: Klingeling

Nr. 33 –

Stefan Gärtner lässt auch mal die Polizei zu Wort kommen

«Als hätten wir es nicht schwer genug! Bundesbern hat ja die sanfte Haschzigarette erlaubt, Wirkstoff CBD statt THC, und jetzt ist das grosse Problem, dass niemand weiss, wann nun was erlaubt ist. Also, erlaubt ist das eine und das andere nicht, schon klar, aber darf ein Postautofahrer legal einen Joint rauchen? Muss eine Lehrerin CBD in der Nikotinecke dulden, und darf ich, ein Polizist, SVP konsumieren, auch wenn das genauso riecht wie AfD?

Entschuldigung, diese Abkürzungen immer – jedenfalls hat sich unsere ‹feine› Regierung da wieder schön in die viel zitierte Einbahnstrasse manövriert. Oder eigentlich uns. Wie soll selbst ein altgedienter Beamter wie ich unterscheiden, was genau so eine Kifferin ‹durchzieht›? In Zürich verzeigen wir ja immer erst mal drauflos und beschlagnahmen das Gift, dann testen wir es, und wenn es ein ‹falscher Alarm› war, kriegen die Kiffer ihren Kram zurück. Und nun muss ich sagen, auch darüber hat die Politik wieder mal nicht nachgedacht, wie hart diese Tests für die Polizei sind. Und teuer! Wir haben uns ja erst mal einen Fernseher anschaffen müssen und einen grösseren Kühlschrank, weil wir beim ersten Test die Erfahrung gemacht hatten, dass Kollegen auf einmal die ganze Wache auf den Kopf gestellt haben, weil sie ganz dringend einen Schokoriegel brauchten oder eine Kalbsbratwurst oder Cornichons oder ein Käsebrot oder alles hintereinander weg. Der eine Kollege, ich nenne ihn mal Widmer, hatte sich aus den Ferien in Dänemark Schokolade mitgebracht, ‹Marabou Apfelsin Krokant›, und sich die dann mit Hering und Sesambrezeli belegt, und ich sage noch: ‹Ruedi, Ruedi›, sage ich, ‹macht man das so bei euch in Winterthur?› Bzw. wollte ich das fragen, habe aber die Frage nur gedacht, denn im Fernsehen liefen gerade zwei Hunde ins Bild, die irgendwie aussahen wie Ueli Maurer, also beide, obwohl das völlig verschiedene Hunde waren, ich kann das jetzt nicht besser erklären, jedenfalls hatte da einer diese zwei Hunde, sogar drei Hunde, und ich muss immer denken, dass mir Leute mit mehr als einem Hund sofort verdächtig sind. Total verdächtig. Nicht so im rechtlichen Sinne, mehr als Spinner, wie Leute mit zwölf Kindern oder so, die ja eigentlich auch nie ganz normal sind. Egal. Wo war ich? Irgendwas mit Spinnen oder Tieren, wir hatten dann noch voll den Lachanfall, den Grund weiss ich nümme genau, es muss wohl mit den Hunden zu tun gehabt haben, weil der eine, glaube ich, ein Labrador war, und der Kollege immer ‹Laberdor› gesagt hat und dass das ein sehr guter Hund für mich wäre, weil ich immer so viel ‹labere›. Und ich so: ‹Hey, wenn ich einen Laberdor kriege, dann kriegst du einen Dings, weil du so ein Dings bist!› Ich hab vergessen, was für ein Dings, jedenfalls haben wir den Dings, den Fernseher, dann doch wieder rausgeworfen, weil, wenn so ein Test läuft und dann das Telefon so ewig klingelt, da will natürlich keiner abheben. Es gibt echt Leute, die lassen es hundertmal klingeln, als wenn nach dem zehnten Mal noch wer ranginge! Das sind die Leute mit den drei Hunden und zwölf Kindern, die legen nach dem fünften Mal nicht auf, die lassen es klingeln, und noch mal und noch mal und noch mal, und jetzt haben wir einen Anrufbeantworter, und der Kollege, ich nenne ihn mal Dings, hat nach dem letzten Test den Ansagetext besprochen, und es war ein super Spruch, allerdings absolut zu lang, und ich hab ihn auch gleich vergessen, aber sagen Sie, Sie haben nicht zufällig einen Schokoriegel dabei?»

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.