Rap: Nicht gewaschen, dafür mit Nagellack

Nr. 39 –

Romano ist der schrägste Vogel im deutschen Rap. Aber auch der grösste Schwärmer. Seine grosse Liebe ist die Berliner Vorstadt.

Beide kommen aus dem Osten, und beide haben in ihrem Territorium unbestritten die Hosen an. Aber dann hört es auch schon auf mit den Gemeinsamkeiten zwischen Angela Merkel, die nochmals vier Jahre lang «Mutti der Nation» sein darf, und der Mutti, die hier besungen wird. Diese hier trägt Dauerwelle und Leopardenlook, geht shoppen ohne Portemonnaie, sucht einen reichen Mann in Westberlin und betrinkt sich am Pferderennen. Mutti ist die Königin der Vorstadt: von Berlin Köpenick.

Der stolze Sohn und Rapper, der auf seinem neuen Album «Copyshop» seiner Mutter ganz ohne machoiden Kitsch eine Liebesbezeugung darbringt, nennt sich Romano. Ob es die Mutti in dieser Form gibt, ist unbekannt – zumal irgendwann im Song ein Raumschiff kommt und sie wieder mitnimmt. Doch die Liebe ist hier nicht nur eine ödipale, sondern vor allem auch eine lokale. Roman Geike, wie Romano richtig heisst, hat zwar schon in Los Angeles ein Video gedreht, in Australien einen Hit gelandet und in Tschechien an Drum-and-Bass-Partys aufgelegt, aber aus Köpenick weggezogen ist er nie.

Ein eklektischer Tausendsassa

Köpenick ist eine Sache für sich. In dem Stadtteil, der mit Treptow einen Bezirk bildet, wurde am vergangenen Sonntag Gregor Gysi von der Linkspartei trotz leichter Stimmenverluste an die AfD mit vierzig Prozent wieder in den Bundestag gewählt. Dem älteren Ex-DDR-Politiker, der die Anliegen eines traditionellen Arbeiterklassemilieus vertritt, ist der Stadtteil wie auf den Leib gezimmert. Der Anteil der BewohnerInnen ohne deutschen Pass liegt hier deutlich unter dem Berliner Durchschnitt, die Zahl der Schrebergärten deutlich darüber.

Umso mehr muss Romano den meisten zuerst einmal als ein eklektischer Tausendsassa erscheinen. Seine zwei gelbblonden Zöpfe sind geradezu ikonisch. Dazu trägt er eine American-Football-Jacke, meistens mit der goldenen Seite nach aussen gekehrt. In der Gesangsstunde übt er italienische Arien, und wenn er Zeit hat, geht er regelmässig ins Ballett. Bekannt wurde er 2015 mit einem Rap über seine Metalkutte.

Den Track «Copyshop», der das neue Album eröffnet, kann man auch als Zelebrieren von Patchwork und Pastiche lesen: «Hereinspaziert, hier wird das Word ‹Original› neu definiert / Kopiert und dann von mir signiert.» Aber er ist eben auch: ganz einfach biografisch. Romano hat nämlich Mediengestalter gelernt und in einem Kopierladen gearbeitet. So stellt sich dieses Album trotz allem Klamauk schon bald als ernsthafter und persönlicher heraus als sein Vorgänger «Jenseits von Köpenick».

Ach, Winnetou

Auf den zweiten Blick zeigt sich: Romano hat sich all diese Zeichen nicht nur planlos angeeignet, sondern die kulturelle Überwältigung der Wende geschickt in einer Figur gebündelt. Er hat sie sogar direkt in Mode übersetzt. Die goldene Jacke ist von einem Footballteam aus Kalifornien, wo auch sein Lieblingsrap herkommt, und die Zöpfe stammen von Winnetou. Wie Romano in einem Interview erklärt, waren Cowboy-und-Indianer-Geschichten in der DDR besonders beliebt. Man habe sich dann jeweils mit den unterdrückten Indianern solidarisiert, die sich gegen den amerikanischen Klassenfeind zur Wehr setzten.

Das erfahren wir auch im Stück «Karl May», in dem Romano vom Spielen mit seinem Vater erzählt: «Unser Wilder Westen befand sich direkt an der Spree.» Plötzlich kippt es und ins Cowboy-und-Indianer-Spiel mischt sich bitterer Ernst: Das «Feuerwasser» wird zu Papas Feind, auch mit einarmigen Banditen kämpft er, bis sie die ganze Miete gestohlen haben. Irgendwann kommt der Sheriff und steckt Romano ins Reservat.

Um die Wende selber und wie sich so ein kultureller Knall anfühlt, geht es in «König der Hunde»: «Die Mauern brechen, die Ketten reissen / Ich stehe ohne Maulkorb auf dem Mittelstreifen.» Dann kommen sie: die Scorpions, der Walkman, der Weichspüler und der Commodore C64. Und natürlich Rap: Fight the Power!

Die bösen Buben trinken Sekt

Seine ersten Raptexte schrieb Romano mit fünfzehn, doch zuerst einmal trieb er sich in jeder Subkultur herum, die er finden konnte. Die Band Maladment, deren Sänger er für kurze Zeit war, machte Softrock und alternativen Rap. Nachdem er sich als DJ probiert hatte, nahm er mit einem Technoproduzenten ein Schlageralbum auf – frei von Ironie. Zurück zum Rap brachte ihn schliesslich der britische Grime, dessen abstrakte Beats ihn musikalisch bis heute stark beeinflussen.

Mit diesem Rap dokumentiert er ein Berlin, das zwar dreckig ist, aber auch glamourös: «Mutti kann nicht kochen, aber sie hat Geschmack / Hände nicht gewaschen, dafür Nagellack.» «Mülltonne und Goldkette» nennt Romano das auch. «Ja, ich will» ist eine Liebeserklärung an die Menschen in Köpenick, an Porzellan und Lederhaut, Solariumbräune und Tattoos im Gesicht. In «Champagner Bar» sitzen die bösen Buben von damals – Romano ist einer von ihnen, Klappmesser-Ingo ein weiterer – als Rentner in Köpenick und trinken Sekt. Mit Aneignung hat das nichts zu tun. So absurd die Szenerie auch scheinen mag, es ist ja wahrscheinlich, dass es tatsächlich so kommt. Und dass Romano dann mit einem Roboter ein Duett darüber singt.

Romano: Copyshop. Universal. 2017