Schweizer Pensionskassen: Das fatale Kleben am Fossilen
Die Kampagne der Umweltverbände zum Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Brennstoffe hat in den letzten Monaten an Fahrt gewonnen. Besonders die öffentlichen Pensionskassen geraten immer mehr unter Druck, ihr klimaschädigendes Investitionsverhalten zu ändern.
Die Betriebswirtschaftlerin Katharina Dittrich arbeitet seit sieben Jahren an der Universität Zürich. «Lange habe ich nicht mal den Namen meiner Pensionskasse gekannt», sagt sie, geschweige denn habe sie sich dafür interessiert, in welche Anlagen mit ihrem Geld investiert werde. Doch Dittrich machte sich Sorgen um den Klimawandel. Sie besuchte Veranstaltungen der Umweltgruppe Fossil Free – und begann zu realisieren, dass die Schweizer Pensionskassen mit ihrem Anlagevolumen von rund tausend Milliarden Franken einen bedeutenden Einfluss in Klimafragen haben.
Fossil Free hatte vor rund zwei Jahren die Kampagne «Mein Geld ist sauber» lanciert (siehe WOZ Nr. 48/2015 ). Von einer gleichnamigen Website können seither Versicherte ihre Pensionskasse per vorformulierten Brief auffordern, aus klimaschädigenden Unternehmen auszusteigen. Durch die so gewonnenen Adressen brachte Fossil Free schliesslich eine Gruppe von Leuten zusammen, die alle bei der BVK, der Pensionskasse des Kantons Zürich, der grössten im ganzen Land, versichert sind. Darunter auch Dittrich. «Wir einigten uns dann darauf, erst mal einen detaillierteren Brief an die BVK zu schreiben», sagt sie.
Öffentliche Kassen im Fokus
In diesem Brief vom 9. August 2017 fordert die Gruppe BVK Divest Transparenz ein. Sie will wissen, welche Strategie die BVK im Umgang mit den Klimarisiken verfolgt, wie sie ihr Engagement in klimaschädigende Firmen misst und nach welchen Kriterien sie solche Firmen künftig ausschliessen will. Zuvor schon hatte sich die Klima-Allianz Schweiz, ein Zusammenschluss von siebzig Umweltverbänden und ökologisch engagierten Organisationen, in die Stiftungsratswahlen der BVK eingeschaltet und recht erfolgreich KandidatInnen unterstützt, die explizit für ein Divestment eintreten.
Das Vorgehen bei der BVK könnte Schule machen: Die Divestmentkampagne von Fossil Free ist von der Klima-Allianz übernommen worden. Klimafreundliche «Kontaktgruppen» von Versicherten gibt es inzwischen auch bei den Pensionskassen der Kantone Luzern und Basel-Landschaft. Im Fokus der Kampagne stehen insbesondere öffentliche Pensionskassen wie die BVK. Denn auf diese lässt sich besser Druck ausüben: In den letzten zwei Jahren hatten mehr und mehr kantonale und kommunale Regierungen aufgrund von parlamentarischen Vorstössen Auskunft über die Anlagepolitik ihrer Pensionskasse geben und Forderungen nach einem Divestment beantworten müssen.
Verheerende Bilanz
Hauptargumentation in den überwiegend negativen Antworten der Pensionskassen war meist, dass ein Kanton oder eine Gemeinde über keine gesetzlichen Mittel verfüge, sich in die Anlagepolitik ihrer Pensionskasse einzumischen. Diese sei dem Stiftungsrat der jeweiligen Kasse vorbehalten. Diese Argumentation wird allerdings von HSG-Professor Ueli Kieser infrage gestellt. Es gebe dazu «keine klare Rechtsprechung». Aufgrund der geltenden Gesetze gebe es durchaus Spielraum, dass Gemeinden und Kantone «in einem engen Rahmen» ihren Pensionskassen Vorschriften in der Anlagepolitik machen könnten.
Auch durch eine Studie des Bundesamts für Umwelt (Bafu) geraten die Pensionskassen unter Druck: Das Bafu testete 2017 deren Anlagepolitik auf die Klimaverträglichkeit. Das Resultat des freiwilligen Tests ist ernüchternd, wie das Bafu im Herbst offenlegte: Der Durchschnitt der beteiligten Kassen trage mit seinen Anlagen zu einem Anstieg der globalen Temperatur von bis zu sechs Grad bei – eine verheerende Bilanz. Diese offensichtlich klimafeindliche Anlagepolitik könnte sich gemäss der Studie sehr bald auch negativ auf die Performance der Kassen auswirken: Die Gewinne von Kohle-, Öl- und Gaskonzernen – und somit auch deren Aktienwerte – könnten wegen der nötigen Klimaschutzmassnahmen der Regierungen schon bald einbrechen. Dazu kommen vermehrt Gerichtsklagen gegen solche Unternehmen, wie das Beispiel New York (vgl. «New York rechnet mit Shell und Co. ab» ) zeigt.
Das Recht auf Transparenz
Laut Sandro Leuenberger, Campaigner bei Fossil Free und der Klima-Allianz Schweiz, sind trotz der Bafu-Studie rasche Schritte nicht zu erwarten. «Viele Pensionskassen anerkennen inzwischen das Problem und sehen auch, dass ein grosses Engagement in fossilen Anlagen die Sicherheit der Renten gefährden könnte.» Allerdings würden die meisten immer noch daran glauben, dass sie über ihre Stimmrechte bei den betreffenden Aktiengesellschaften Einfluss auf deren Strategie ausüben könnten. «Das ist bei Kohle- und Ölkonzernen vergebliche Mühe», winkt Leuenberger ab. «Die können ihr Businessmodell doch gar nicht ändern. Mit was sollen sie denn sonst Profite machen?» Ausserdem kritisiert Leuenberger, dass bislang nur wenige Pensionskassen die Resultate der Bafu-Überprüfung öffentlich gemacht haben.
Auch Katharina Dittrich will, dass ihre Pensionskasse, die BVK, die Resultate veröffentlicht. «Mir ist unverständlich, dass sie das nicht schon getan haben. Als Versicherte habe ich doch ein Recht darauf.» Am Mittwoch hat sie als Teil einer Delegation ihrer BVK-Divest-Gruppe drei Manager der BVK getroffen und die Forderung platziert. Einblick in die Resultate hätten sie dabei keine bekommen. Die Verantwortlichen versuchten offenbar, einer öffentlichen Diskussion über ihre Anlagepolitik aus dem Weg zu gehen. Dennoch sei das Gespräch konstruktiv verlaufen. «Die BVK beginnt zu realisieren, dass es sich bei unserer Forderung nach Divestment nicht einfach um eine moralische Frage handelt, sondern dass das auch im wirtschaftlichen Interesse der Versicherten ist.»
Die BVK wollte gegenüber der WOZ keine Auskünfte zu ihrer Anlagepolitik und der Bafu-Überprüfung geben. Man werde Fragen von JournalistInnen erst am jährlichen «Mediengespräch» beantworten – am Erscheinungstag dieser Ausgabe also.