Film «Annihilation»: Drogentraum im Sperrbezirk

Nr. 11 –

Sie schauen kurz zu uns herüber, dann hüpfen sie lautlos davon, zwei weisse Rehe, denen Blumen aus dem Geweih spriessen. Später staunen wir mit Natalie Portman über Bäume wie aus Eiskristallen, die glitzernd in den Himmel wachsen. Wo sind wir denn hier gelandet? In einem biodynamischen Drogentraum? Nein, im neuen Film von Alex Garland («Ex Machina»), der sich hier an Jeff VanderMeers Roman «Annihilation» gewagt hat. Darin soll ein kleiner Forschungstrupp, lauter Frauen, einen wild wuchernden Sperrbezirk erkunden, wo die Biologie verrücktspielt. Es ist eine Exkursion ins Ungewisse, an die Grenzen unseres Verstehens.

Hinter einem wabernden Vorhang, genannt «der Schimmer», erwarten uns die unerklärliche Schönheit und das Grauen einer Natur, die sich nicht mehr an ihre eigenen Gesetze hält. Die Biologin Lena (Portman) und ihre Gefährtinnen stossen dabei auf die eine oder andere Bestie, aber auch auf Spuren früherer Expeditionen: menschliche Überreste, verwachsen in einem surrealen Flechtenrelief, oder eine Speicherkarte mit einem Snuffvideo, in dem Lenas verschollener Ehemann (Oscar Isaac) mit scharfer Klinge zu Werke geht.

Auch wenn Garland diesen Trip oft unnötig mit Alltagspsychologie erden will, macht er in seiner Verfilmung vieles richtig. Statt der entfesselten Biofiktion der Vorlage nachzueifern, macht er sich die Geschichte zu eigen und richtet sie neu aus, um einiges eindeutiger auch. Der Showdown ist dann ein quecksilbriger Drogentraum, in dem der Film doch noch zu jener abstrakten Fantasie findet, zu der ihm sonst etwas der Mut fehlt. Es geht hier um Original und Kopie, um genetische Programmierung und menschliche Autonomie: Wer ist Ich, wenn rätselhafte Kräfte meine biologischen Codes neu konfigurieren? Was wollen diese Kräfte, und vor allem: Wollen sie überhaupt etwas?

Offenbar zu viele offene Fragen für Hollywood: Aus Angst vor einem Flop hat Paramount, statt den Film wie geplant in die Kinos zu bringen, die Weltrechte an Netflix verkauft. Das Kino löscht sich selbst aus.

Annihilation. Regie und Drehbuch: Alex Garland. USA 2018. Auf Netflix