Von oben herab: Update

Nr. 22 –

Stefan Gärtner zur Zukunft nach Julius Bär

Nachdem es mich wieder Lebenszeit gekostet hat, meinem Computer bei irgendwelchen Er-kommt-nicht-mehr-ins-Netz-, Er-muss-sich-nach-dem-Neustart-stundenlang-updaten-, Er-muss-sich-nach-stundenlangem-Updaten-aufhängen-Mätzchen zuzusehen, Stunden, die sich durch Fantasien von einem sehr grossen Hammer, der sehr oft in einen Laptopbildschirm kracht, nur unwesentlich verkürzt haben, bin ich in der richtigen Stimmung, um mich mit den fabelhaften Visionen der Privatbank Julius Bär zu beschäftigen, denn «wie wir heute investieren, so leben wir morgen», und da hat Julius Bär freilich recht: Denn wenn ich heute einen neuen Computer kaufe, lebe ich morgen mit weniger Tobsuchtsanfällen, jedenfalls so lange, bis auch der neue Rechner mir dumm kommt.

«Wie ergänzen sich Menschen und Maschinen in den Smart Cities der Zukunft?» Vermutlich tun sies so wie heute: Die Maschinen nerven, und die Menschen lassen sich nerven von ihren Mobiltelefonen, Fitnessuhren und ähnlich abgründigem Spielzeug. «Roboter sollen uns künftig als Assistenten den Alltag erleichtern. So können wir mehr Freiräume gewinnen und unsere Produktivität steigern. Das effiziente und gefahrlose Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine hängt von der geeigneten Kommunikationstechnologie ab.» Denn bislang verhallen meine Vorwürfe («Du elendes Stück Mist!»), weil es noch keine Technologie gibt, die die Kommunikation mit einem sich updatenden, abstürzenden oder sonst wie unansprechbaren Computer erlaubt, und meine Produktivität ist dann tatsächlich hin, weil ich zu wütend bin, um auf gute Fragen zu kommen wie die, ob es nicht längst eher zu wenig Arbeit und zu viel «bullshit jobs» gibt: So nennt der in London lehrende Anthropologe und Buchautor David Graeber das, womit etwa Immobilienmaklerinnen, Investmentbanker und Unternehmensberaterinnen ihr vieles Geld verdienen, «Hofnarren des Kapitalismus» («Die Zeit»), die «gesellschaftlich sinnlose Arbeit» verrichten als nämlich vollkommen unproduktive.

Aber Zorn ist ein schlechter Ratgeber, und wie gern würde ich an technokratische Visionen glauben wie die von der autonomen, geteilten Elektromobilität, «sauber und bezahlbar. Private Haushalte, die weniger für Mobilität aufwenden müssen, verfügen über mehr Mittel für andere Ausgaben», für Fitnessuhren, Riesenfernseher und was sonst noch aus der fremdverschuldeten Unmündigkeit hilft. «Mit den autonomen Fahrzeugen wird Mobilität für alle zugänglich», statt mit billigen Bahntickets und kostenlosem Nahverkehr; «Distanzen verkürzen sich, die soziale Interaktion nimmt zu», wie die Bahn immer schneller, die Kundschaft, die im Grossraumabteil Sprachnachrichten verschickt, sozial aber immer auffälliger geworden ist. Und wenn sich Distanzen verkürzen, können noch mehr Leute z. B. in Zürich einem Bullshit Job nachgehen und in München wohnen – «nice», wie die Bullshit Jobber heute sagen!

Doch wenn es der Demokratie hilft: «Wer sein Auto zuhause auflädt, womöglich noch mit Sonnenenergie aus den eigenen Dach-Panels, ist auch Teil einer grösseren Bewegung: Energie wird demokratisiert. Die Energienutzung verlagert sich von Energiequellen zu Technologien, von Handel zur Selbstversorgung, von Gross zu Klein.» Tagsüber der Bullshit Job, daheim dann die Selbstversorgung: So sieht es aus, das 21. Technojahrhundert. Ich sage es ungern, aber: Da brauchts vielleicht ein Update.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.