100 Wörter: Meditieren statt saufen
Die Retrorock-Combo Die Rüben war von einer Erfolgswelle erfasst worden, die sie von der vollständigen Belanglosigkeit ins Nachmittagsprogramm mittelgrosser Open Airs spülte. Die Popularität war der Mundartversion eines Fünfziger-Jahre-Klassikers zu verdanken, basierte jedoch auf einem Missverständnis. Bandleader Heinz «Rusty» Klevner, Altmetallhändler im erzwungenen Vorruhestand, hatte ein Protestlied gegen Behördenwillkür im Sinn gehabt, der er die Schliessung seines Schrottplatzes zuschrieb. Verstanden wurde der Song aber als Aufforderung zum wochenendlichen Trink- und Tanzexzess, dem die Landbevölkerung mit einer Begeisterung nachkam, die Klevner derart verwirrte, dass er auf seinem Gelände ein interdisziplinäres Meditationszentrum eröffnete, das allen Umweltvorschriften entsprach und erst noch anständig rentierte.
Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Seine neue Gaunerkomödie «Die Bank-Räuber» tourt aktuell mit Beat Schlatter in der Hauptrolle durch die Deutschschweiz: www.diebankraeuber.ch. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.