Thorberg: Direktor unter Druck

Nr. 23 –

Ein halbes Jahr nach dem Streik in der Justizvollzugsanstalt Thorberg spitzt sich die Lage zu: Sowohl die Häftlinge als auch die Angestellten lehnen sich gegen Direktor Thomas Egger auf. Nun schaltet sich die Politik ein.

Sorgt für eisige Kälte auf dem Thorberg: Direktor Thomas Egger, Januar 2015. Foto: Beat Mathys, «Berner Zeitung»

Gut sechs Monate ist es her, seit der Thorberg national Schlagzeilen machte: Dutzende Häftlinge der Justizvollzugsanstalt legten die Arbeit nieder, um gegen die Bedingungen im Problemknast zu demonstrieren. Der Forderungskatalog war lang: Die Thorberg-Insassen beklagten sich etwa über mangelnde Freizeit- und Arbeitsmöglichkeiten, fehlende Ausbildungsplätze, schlechtes Essen, Schikanen während der Besuchszeiten und das Eingesperrtsein an den Wochenenden. Dazu forderten die Häftlinge die Schaffung eines sogenannten Beziehungszimmers (wie es in manchen anderen Anstalten bereits realisiert wurde).

Gefängnisdirektor Thomas Egger versprach damals, die Schaffung eines Beziehungszimmers zu prüfen, beendete den Streik ansonsten jedoch mit harter Hand (siehe WOZ Nr. 48/2017 ). Verbessert hat sich auf dem Thorberg seither offenbar nichts – zumindest lässt die jüngste Eskalation darauf schliessen: Nicht nur die Häftlinge haben sich vor kurzem mit einem neuen Forderungskatalog an die Öffentlichkeit gewandt – auch die Angestellten der Justizvollzugsanstalt üben immer lauter Kritik an der Führung des Thorbergs. «Sie haben zwar andere Anliegen als die Häftlinge», sagt Daniel Wyrsch, Geschäftsführer des Bernischen Staatspersonalverbands und SP-Grossrat. «Aber die Ursachen müssen wohl in beiden Fällen in der Person Eggers gesucht werden. Ich habe in den letzten zwei Jahren aus keinem Betrieb so viel Schlechtes über das interne Klima gehört wie aus dem Thorberg.»

«Das macht die Leute krank»

Egger ist vor gut vier Jahren angetreten, um im Thorberg, der in der Vergangenheit immer wieder für Skandale gesorgt hatte, aufzuräumen. Doch der ehemalige Primarlehrer und hochrangige Militäroffizier hat den Ruf eines Hardliners mit hierarchischem Führungsverständnis. Ein anonymer Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts schildert die Situation so: «Das Grundproblem auf dem Thorberg ist das militärische Führungssystem. Egger ist nicht bereit, seinen Angestellten zuzuhören, und auch sein Führungspersonal zeigt kein Interesse an den Untergebenen. Egger hat etwa innerhalb von drei Monaten den Schichtbetrieb umorganisiert, ohne auf Bedürfnisse der Angestellten einzugehen. Später musste er zurückkrebsen, aber es gab auf dem Thorberg phasenweise gravierende Sicherheitsmängel wegen fehlenden Personals. Solche Zustände sorgen für extrem viel Frust und machen die Leute krank. Inzwischen ist das Vertrauen in die Führung zerstört.»

Tatsächlich ist die Fluktuation im Thorberg hoch, laut Mitarbeitern sind in den letzten zwei Jahren rund 25 Prozent der Angestellten freiwillig oder unfreiwillig gegangen. Dass sich die Unzufriedenheit auch bei den Häftlingen niederschlägt, wundert den Angestellten nicht. Das hänge alles miteinander zusammen. «Wenn die Stimmung bei den Angestellten schlecht ist, überträgt sich das auf die Häftlinge, man tritt dann eher mal nach unten.» Insgeheim unterstützten es gar viele Angestellte, wenn die Häftlinge streikten. «Sie sagen sich: Dann geht es dem Direktor vielleicht mal an den Kragen.»

Auch Peter Zimmermann, Präsident der Gefangenenorganisation Reform 91, betont die Wichtigkeit von guten Arbeitsbedingungen. «Je besser es den Angestellten geht, desto besser geht es den Häftlingen», sagt er. Zu den Vorwürfen gegenüber Egger nimmt weder dieser selber noch das zuständige Berner Amt für Justizvollzug Stellung. Auch die Forderungen der Häftlinge kommentiert das Amt nur lapidar: Solche gehörten zur Tagesordnung und würden von der Geschäftsleitung ordnungsgemäss behandelt. Auf Nachhaken gibt das Amt dann noch zu Protokoll: Das Bedürfnis nach einem Beziehungszimmer sei erkannt, die Evaluation laufe. Auch der seit Anfang Juni amtierende Berner Justiz- und Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) beantwortet eine WOZ-Anfrage nicht.

Finanzkommission will Prüfung

Es ist diese Mauer aus Schweigen, die die Politik zunehmend erzürnt: Der Berner Grossrat Hasim Sancar (Grüne) hat bereits mehrere Anfragen zu den Bedingungen auf dem Thorberg, wie etwa den Ausbildungs- und Freizeitmöglichkeiten, eingereicht. Er bekam vage Antworten, die der Justizvollzugsanstalt Thorberg in diesen Bereichen ein genügendes Abschneiden attestieren. Dies, obwohl etwa aus der kantonalen Gefängnisstrategie herauszulesen ist, dass der Thorberg schon rein baulich grosse Platzmängel aufweist und gerade einmal zwei Ausbildungen in der Küche möglich sind.

Sancar sagt deshalb: «Der Regierungsrat darf das Thema nicht mehr länger unter den Teppich kehren. Die Umstände auf dem Thorberg müssen endlich untersucht werden.» Auch die Finanzkommission macht Druck: Sie hat am Montag die Finanzkontrolle mit einer Sonderprüfung der Justizvollzugsanstalt beauftragt. Im Mittelpunkt der Untersuchung sollen die finanziellen Folgen von Eggers Personalführung stehen.

Bei der Berner Justiz- und Polizeidirektion sorgt der Beschluss offenbar für Nervosität: Die Direktion reagierte mit der Ankündigung, man werde eine im Rahmen der Reorganisation geplante Befragung der Thorberg-Angestellten vorziehen.