«Schaffhauser Nachrichten»: Aufforderung zur Belästigung
Satire darf bekanntlich (fast) alles. Zuspitzen, überzeichnen, die Grenzen des guten Geschmacks verletzen und mit drastischen Mitteln etwas kenntlich machen. Daran hat sich der Karikaturist der «Schaffhauser Nachrichten» («SN») in der letzten Samstagausgabe des Lokalblatts versucht. Er karikierte Juso-Chefin Tamara Funiciello – platt, plump und sexistisch.
So weit, so geschmacklos. Anlass war ein Nebensätzchen der Juso-Chefin, die wegen der brutalen Männergewalt gegen junge Frauen in Genf an einer Kundgebung eine Rede hielt und darin beiläufig den Sommerhit «079» des Berner Duos Lo & Leduc für problematisch erklärte. Nachher hiess es, sie habe ihn als «sexistisch» bezeichnet. Funiciello sagt, die Kritik ziele in diese Richtung, den Begriff «sexistisch» habe sie aber nicht verwendet.
Funiciellos beiläufige Kritik wird medial hochgekocht, der Karikaturist greift sie auf, überzeichnet sie als halb nackte, verschmähte Frau und lässt sie sagen: «Meine Nummer lautet 079 (…), man findet sie auf meiner Website, also, warum ruft ihr mich nicht an?»
Abgedruckt ist ihre tatsächliche Handynummer. Im Kontext der Karikatur kommt es einem Aufruf zur Belästigung gleich, es ist, ob beabsichtigt oder nicht, eine Aufforderung an den Mob. Und so wird es auch verstanden. Die Karikatur findet denn auch in den sozialen Medien schweizweit Verbreitung. Die Juso-Chefin wird mit Drohungen und Hass eingedeckt.
«SN»-Chefredaktor Robin Blank sagt zur WOZ, es sei nie die Absicht gewesen, Funiciello als Person zu verunglimpfen oder gar dazu aufzufordern, sie zu belästigen – und räumt ein, die Publikation der Handynummer sei nicht nötig gewesen, die Karikatur hätte auch ohne diese funktioniert.
Hässige Reaktionen auf ihre politische Arbeit ist sich die mediengewandte Funiciello gewohnt. Doch was sie jetzt erlebt, hat ein ganz anderes Ausmass. Blanker Hass schlägt ihr entgegen, weil sie eine Frau ist, die sich den Mund nicht verbieten lässt. Eine neue «Qualität» hat auch diese Form der Karikatur in einer Tageszeitung. Sie mag durch die Kunst- und Meinungsfreiheit geschützt sein, also juristisch keine Folgen für den Karikaturisten und die Zeitung haben. Der Vorgang sendet aber ein brutales Signal an alle jungen Frauen, die sich öffentlich engagieren möchten: Lasst es lieber bleiben.