Was weiter geschah: Verurteilt – und doch bald frei

Nr. 39 –

Vor einer Woche ist der unanfechtbare Entscheid gefallen: Der 41-jährige Syrer Ahmed H. wurde in Szeged im Süden Ungarns letztinstanzlich wegen «Mittäterschaft bei einem Terrorakt» und illegalen Grenzübertritts verurteilt. Allerdings wurde das Strafmass von zuvor sieben auf die Mindeststrafe von fünf Jahren Haft reduziert. Weil er bereits seit fast genau drei Jahren in Budapest in verschärfter Untersuchungshaft sitzt, dürfte Ahmed H. bei guter Führung bereits in vier Monaten auf Bewährung freikommen. Dann darf er zu seiner Frau und den beiden Töchtern zurückkehren, die er im Sommer 2015 zum letzten Mal in Freiheit gesehen hat – in Zypern, wo er seit Mitte der nuller Jahre gelebt hatte.

Im September 2015 begleitete Ahmed H. seine Eltern, die vor dem Krieg im Norden Syriens geflohen waren, über die «Balkanroute» in Richtung Westeuropa. Nachdem es am serbisch-ungarischen Grenzübergang bei Röszke zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Flüchtenden und der ungarischen Polizei gekommen war, wurde Ahmed H. als vermeintlicher Rädelsführer festgenommen und wegen eines «terroristischen Akts» angeklagt. Gemäss ungarischem Recht reicht es bereits aus, unter Androhung von Gewalt Forderungen an die Polizei zu richten, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Der betreffende Artikel war zuvor aber noch nie angewandt worden, der Prozess gegen Ahmed H. war somit ein Präzedenzfall. Menschenrechtsorganisationen und ProzessbeobachterInnen kritisierten das Verfahren scharf: Der Angeklagte sei von Politik und regierungshörigen Medien gezielt als Terrorist dargestellt worden, um der migrationsfeindlichen Agenda der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban in die Hände zu spielen. Entsprechend wurde der Prozess auch als Gradmesser der Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn betrachtet. Wegen mangelhafter Beweisführung war das erste Urteil im Frühjahr bereits einmal abgeschwächt worden.

Während Ahmed H. durch die Verkürzung der Haftdauer nun zwar bald frei sein wird, bleibt er nach ungarischem Gesetz aber dennoch als Terrorist stigmatisiert – wodurch die Regierung einem Gesichtsverlust entgeht.

Nachtrag zum Artikel «Der Mann, der ein Terrorist sein soll» in WOZ Nr. 11/2018 .