Süssgetränke: Die trügerischen Versprechen der Zuckerlobby

Nr. 40 –

Die Getränkekonzerne tun alles, um eine Zuckersteuer zu verhindern. Und geben zugleich vor, die Gesundheit zu fördern.

Am 19. September feierte die Getränkeindustrie der Schweiz einen PR-Coup: Ihre Lobbyorganisation «Informationsgruppe Erfrischungsgetränke» stellte die Resultate ihres neusten «Monitors Ernährung und Bewegung» vor. Die Befragung, durchgeführt vom Forschungsinstitut GFS in Bern, zeigt die offenbar niedrige Akzeptanz einer Zuckersteuer in der Bevölkerung. Rund 72 Prozent der SchweizerInnen würden die Einführung einer Steuer auf zucker-, salz- oder fetthaltige Lebensmittel ablehnen, so das GFS. Die IG Erfrischungsgetränke folgerte in ihrer Medienmitteilung, die SchweizerInnen seien «konsequent gegen staatliche Regulierungsmassnahmen». Denn die Besteuerung einzelner Lebensmittel komme einer «Stigmatisierung» gleich. Kaum ein Medium, dass die Ergebnisse der Befragung nicht ausführlich referierte, obwohl die Aussagekraft von Umfragen zu Themen, bei denen zuvor keine grosse öffentliche Diskussion stattfand, eher beschränkt ist.

Gut vernetzt im Bundeshaus

Offiziell wirbt die Lobbyorganisation für einen «aktiven Lebensstil und bewussten Trinkgenuss». Sie ist ein Zusammenschluss von mehreren grossen Getränkefirmen wie Red Bull, Rivella und Coca-Cola, verfügt jedoch auch über viele personelle Verbindungen ins Bundeshaus. So gehören vierzehn BundesparlamentarierInnen der Gruppe an, wie die «Rundschau» im März dieses Jahres erstmals publik machte.

Auch sonst ist die Zuckerlobby im Parlament sehr gut aufgestellt. Sie erhält Unterstützung von der mächtigen Bauernlobby. Die Produzentinnen von Zuckerrüben und Haupteigentümer der Zuckerfabriken haben kein Interesse an einem sinkenden Zuckerverbrauch. Es erstaunt deshalb nicht, dass eine Standesinitiative des Kantons Neuenburg, die die Einführung einer Zuckersteuer für die Schweiz verlangte, im Ständerat chancenlos blieb. Die kleine Kammer hatte das Anliegen im März mit 24 zu 3 Stimmen gebodigt. Ein Entscheid des Nationalrats steht noch aus.

Dass die Getränkeindustrie Angst davor hat, dass der Staat eine Abgabe auf Produkte kassiert, denen Zucker zugeführt wurde, kommt nicht von ungefähr. Verschiedene Länder, darunter Frankreich, Grossbritannien und Mexiko, haben inzwischen eine Zuckersteuer eingeführt.

Denn das Problem des vielen Zuckers ist offensichtlich: Rund 41 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind laut der aktuellsten Erhebung des Bundesamts für Gesundheit von 2012 übergewichtig, fast doppelt so viele wie zwanzig Jahre zuvor. Die OECD schätzte 2017, dass die Zahl weiter steigen wird. Bereits jetzt ist rund jedes fünfte Kind übergewichtig, wenn auch die Prozentzahl in grossen Städten rückläufig ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert seit Jahren den zu hohen Zuckergehalt in Lebensmitteln und sieht dabei zuckerhaltige Süssgetränke als eines der Hauptprobleme.

Leuchtende Kinderaugen

Das schreckt die Lebensmittel- und Getränkeproduzenten auf. 2010 haben sich einige deshalb in der Initiative Swiss Pledge zusammengeschlossen, Teil davon sind auch Rivella, Coca-Cola und Nestlé. Die Initiative verpflichtet die Konzerne dazu, das eigene Werbeverhalten gegenüber Kindern unter zwölf Jahren anzupassen. Die Definition von Werbung hat man sich jedoch geschickt zusammengesponnen: So soll unter anderem auf Werbung in Schulen, Fernsehspots im Umfeld von Kindersendungen oder Werbung in Kinderzeitschriften verzichtet werden.

Vom selbstauferlegten Werbeverbot ausgenommen sind jedoch Outdoor-Marketing oder das Sponsoring von Events. So sponsert Rivella beispielsweise Kinderolympiaden oder die «Rivella Masters» – ein Kinderskirennen mit zahlreichen prominent platzierten Werbebannern. Es sind Veranstaltungen, die als Zielgruppe ganz klar Kinder haben, auch unter Zwölfjährige. Man sehe darin keinen Widerspruch zu den Richtlinien von Swiss Pledge, schreibt Rivella auf Anfrage und beruft sich auf sein «Engagement zur Bewegungsförderung». Auch Coca-Cola spricht mit seinen Werbeaktionen direkt Kinder an: Während der Adventszeit touren Werbeleute des Konzerns regelmässig mit einem Weihnachtstruck durch die Schweiz und bringen «sowohl Kinder- als auch Erwachsenenaugen zum Leuchten». Kinder können sich mit dem Weihnachtsmann fotografieren lassen.

Die Werbebeschränkungen von Swiss Pledge sind dadurch nicht viel mehr als Imagepolitur. Denn eigentlich setzt man bei den Getränkekonzernen sowieso viel lieber auf die angebliche Eigenverantwortung der KonsumentInnen. Das Problem ist, dass diese immer noch sehr schlecht informiert sind, wenn es um den Zuckergehalt von Getränken geht. Dazu tragen auch die «Ernährungsinfos» oder «Nährwertangaben» bei, die auf den Etiketten der Süssgetränke abgedruckt sind. So nimmt man mit dem Konsum einer 2,5-Deziliter-Dose Coca-Cola Original 27 Gramm Zucker zu sich und deckt damit angeblich 29 Prozent der Referenzmenge eines durchschnittlichen Erwachsenen. Laut «Nährwertangaben» beträgt der Tagesbedarf 90 Gramm Zucker. Das ist jedoch ein viel zu hoher Wert. So hat die WHO bereits 2015 ihre Ernährungsempfehlung auf höchstens 25 Gramm Zucker pro Tag angepasst.