Schwangerschaftsabbruch: 2018 im Süden, 1861 im Norden
In Irland soll künftig der Staat die Kosten für Abtreibungen übernehmen. Im nördlichen Teil der Insel jedoch kommt die Debatte nicht voran – was auch machtpolitische Gründe hat.
Savita Halappanavar war in der 17. Woche schwanger, als sie im November 2012 in einem irischen Krankenhaus starb, nachdem ihr Ärzte mit Verweis auf die Rechtslage eine Abtreibung verweigert hatten. Obwohl ihr eine beginnende Fehlgeburt diagnostiziert worden war, weigerten sich die Ärzte, eine Abtreibung vorzunehmen: Das Herz des Fötus schlug noch. Erst sechs Jahre später, am 18. September 2018, wurde der Artikel über das Abtreibungsverbot aus der irischen Verfassung gestrichen. Gesundheitsminister Simon Harris hat ausserdem verkündet, dass der Staat die Kosten, die bei einem Schwangerschaftsabbruch entstehen, in Zukunft übernehmen will.
Bis vor kurzem hatte Irland noch eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Seit dem Referendum diesen Mai, bei dem eine Mehrheit für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gestimmt hat, scheint sich das Blatt jedoch zu wenden. Irland ist auf dem besten Weg, ein liberales Abtreibungsgesetz zu erhalten.
Nur wenige Tage lagen zwischen der Streichung des Verbots und der Einreichung eines neuen Gesetzesentwurfs im Parlament. Darin ist vorgesehen, dass ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche vorbehaltlos vorgenommen werden kann. Falls Komplikationen auftreten, wäre ein Eingriff auch bis zur 23. Schwangerschaftswoche möglich.
Zum Vergleich: In Schottland, Wales und England kann eine Schwangerschaft grundsätzlich bis hin zur 24. Woche abgebrochen werden. In den meisten anderen europäischen Ländern herrscht jedoch eine sogenannte Fristenregelung, bei der ein Schwangerschaftsabbruch bis zu zwölf Wochen nach Ausbleiben der letzten Regelblutung vorgenommen werden kann – so auch in der Schweiz.
Eine Frage des Gewissens
Zwei Drittel der irischen Bevölkerung hatten sich dafür ausgesprochen, den Verfassungsartikel zu streichen, der Embryos ab dem Zeitpunkt der Zeugung die gleichen Rechte wie den Müttern garantiert hatte. Dennoch wehrt sich eine Gruppe von AbtreibungsgegnerInnen mit dem Namen «Ärzte für Gewissensfreiheit» nun gegen die Gesetzesänderung. Diese sieht vor, dass ÄrztInnen, die selbst keine Abtreibungen vornehmen wollen, ihre Patientinnen zwingend an eine Kollegin oder einen Kollegen weiterleiten müssen.
Premierminister Leo Varadkar bezieht jedoch eine klare Position: Während es für einzelne Ärztinnen und Krankenpfleger möglich sein soll, sich zu weigern, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, soll dies für Spitäler nicht gelten. Öffentlich finanzierte Institutionen hätten sich an die Gesetze zu halten, sagte er in einer Ansprache im Juni. Auch sein Gesundheitsminister fand klare Worte: «Kosten sollen kein Hindernis darstellen», sagte Simon Harris an einer Pressekonferenz. Mit der Integration von Schwangerschaftsabbrüchen in das öffentliche Gesundheitssystem wolle man verhindern, dass private Kliniken entstünden. Wer es sich nicht leisten könne, in einer privaten Klinik abzutreiben, müsste andernfalls weiterhin ins Ausland reisen, so Harris.
Bis zur Verfassungsänderung waren Irinnen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollten, gezwungen, nach Grossbritannien zu reisen. Laut dem Gesundheitsministerium hatten allein 2016 über 3000 Frauen den Weg auf sich genommen. Noch mehr Frauen bestellten Abtreibungspillen im Internet. Dieses Los soll Irinnen in Zukunft erspart bleiben. Allerdings gilt dies nicht für die Frauen nördlich der Grenze.
Gesetze wie im 19. Jahrhundert
In Nordirland gilt nämlich noch immer ein Gesetz aus dem Jahr 1861, das Abtreibung als schwere Straftat ahndet. Sowohl die Frau als auch der behandelnde Arzt können im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs mit einer lebenslangen Haft bestraft werden. Abtreibungen sind nur erlaubt, wenn das Leben der werdenden Mutter in Gefahr ist oder wenn sie psychische Probleme hat. Selbst nach Vergewaltigungen, Inzest oder bei kranken Föten sind Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor strafbar. Seit einiger Zeit werden Stimmen im britischen Parlament laut, die fordern, den Frauen in Nordirland dieselben Rechte zu garantieren wie im Rest des Landes. Diese Forderung stürzt Premierministerin Theresa May in ein Dilemma, denn ihre Minderheitsregierung ist von der Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party abhängig, einer Partei konservativ-evangelikaler ProtestantInnen. Und diese stellen sich vehement gegen ein liberaleres Abtreibungsrecht.