Auf allen Kanälen: Stallgeruch à gogo

Nr. 45 –

Total überraschend! Nathalie Wappler wird neue Direktorin beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).

Nachdem ruchbar wurde, dass für Ruedi Matter die Pensionsregel nicht ausser Kraft gesetzt wird und der SRF-Direktor nicht erst mit 70 in Rente geht, begann die Spekulation um die Nachfolge. Es wäre allerdings falsch, von einem Kandidatenkarussell zu sprechen. Stimmiger ist das Bild von einem Pingpongmatch, der sich nie zu einem Rundlauf entwickelt hat. Es gab stets nur zwei FavoritInnen.

Nathalie Wappler oder Hansruedi Schoch, das war die Frage: Wappler, frühere SRF-Kulturchefin und aktuell Programmdirektorin beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), oder Schoch, der Macher vom Leutschenbach. Beide verfügten über SRF-Stallgeruch à gogo und wussten Matters schützende Hand über sich.

Im Besetzungsverfahren, mit Headhunter und allem Drum und Dran, wurden die Besten aus Rundfunk, Fernsehen und Internet angegangen. Über vierzig KandidatInnen wurden genannt, taxiert und angefragt. Eigentlich hat man alle eingeladen – ausser Ueli Schmezer vom «Kassensturz» und mich, den Bewerber von der frischgebackenen Qualitätszeitung WOZ. Die Entscheidung ist neidlos zu akzeptieren! Es spricht erstens für die ergebnisgetriebene Professionalität des Headhunters, nicht mit jedem zu reden, und zweitens für die Dichte und die Qualität des Bewerberfelds. Am Schluss konnten die KönigsmacherInnen in den SRG-Regionalverbänden die Frage «Wappler oder Schoch?» jedenfalls einstimmig beantworten. Nathalie Wappler machte das Rennen, ihr ist an dieser Stelle viel Glück und noch mehr Energie zu wünschen.

Matters Händchen

Die anderen Schlüsselposten hat der SRF-Direktor in den letzten Monaten vor der Rente noch selber vergeben. Als Unterhaltungschef hat er Stefano Semeria in die SRF-Geschäftsleitung geholt. Die zukunftsweisende Position als Leiter Digital hat Matter vor zwei Wochen mit grosser Freude («ein Glücksfall») an Gert von Manteuffel vergeben. Der neue Unterhaltungschef ist seit 1. August am Drücker, von Manteuffel fängt erst 2019 an. Wie seine zukünftige Vorgesetzte.

Hoffentlich sieht die neue SRF-Chefin in diesen Personalien das gleiche Potenzial. Sie muss sich auf ihr Glück und Matters Händchen verlassen. Denn es ist auszuschliessen, dass Wappler in die Neubestellung ihrer künftigen Geschäftsleitung mit einbezogen war. Ansonsten wäre das Verfahren um Matters Nachfolge tatsächlich eine Farce gewesen.

Ruedi Matter gab in seinem letzten Jahr strategisch noch einmal alles. Die 72 Prozent Nein zur No-Billag-Initiative verstand er nicht als überwältigendes Bekenntnis zur SRG und zum Service public in Zeiten von Fake News, sondern als Auftrag zum Sparen und zur vermehrten Rücksichtnahme auf die darbenden Zeitungsverleger. Den Radiostandort in Bern hat er ohne Rücksicht auf Föderalismus oder die Gesichtswahrung seiner Vorgesetzten geschleift.

Mit seiner Strategie der Zentralisierung offenbarte Matter vor allem, dass er ökonomisch und organisatorisch in der Welt des Henry Ford stecken geblieben ist. Das hinderte Stoppuhr-Ruedi aber nicht daran, die nächsten Zukunftsweichen zu stellen und auch bei den gepriesenen SRF-Informationssendungen den Sparstift anzusetzen.

Wapplers Hoffnung

Nichts gegen Sparen! Das Potenzial ist gerade im SRF-Gekröse enorm. Der Versuch, in einer Hypermatrix die absolute Kontrolle über sämtliche inhaltlichen Prozesse zu behalten, sorgt dort seit Jahren für einen Innovationsstillstand und führt zu einer permanenten Neutralisierung von Kräften.

Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma heisst: Mut! Mut zur Gestaltung, Mut zur Diskussion, Mut, auch mal einen Fehler zu machen, und vor allem Mut, die MitarbeiterInnen nicht nur zu kontrollieren, sondern auch zu motivieren. Wappler gilt als furchtlos und zielstrebig. Gut so. «Der Service public findet auch im Inneren statt», ist denn auch der hoffnungsvollste Satz, den die neue Chefin in ihren ersten Interviews gesagt hat.

Und hoffentlich findet die ebenfalls noch sehr neue oberste SRG-Führung im Jahr null nach Matter den Mut, die Signale zu setzen, die es für den Aufbruch zu einem neuen Service public braucht. Das Publikum und die MitarbeiterInnen warten schon.