Im Affekt: Frau Wappler in der Bubble

Nr. 46 –

Lebt das SRG-Kader in einem Paralleluniversum, wo die No-Billag-Initiative angenommen oder bloss äusserst knapp verworfen wurde? Das musste man sich schon am Abstimmungssonntag fragen, als Generaldirektor Gilles Marchand mit umwölkter Miene und routinierter Managerrhetorik verkündete, das Abstimmungsergebnis sei ein klarer Sparauftrag.

Auch Nathalie Wappler ist bereits in die Bubble eingezogen. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» erklärt die frischgebackene Direktorin von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): «Wir müssen uns verändern, das hat das Abstimmungsergebnis zum Ausdruck gebracht.» Zur Erinnerung für Frau Wappler: Die No-Billag-Initiative wurde am 4. März mit einem überraschend krachenden Mehr von 71,6 Prozent bachab geschickt. Wer daraus einen Veränderungswunsch ableitet, tut dem Volkswillen viel Fantasie an.

Ebenso eigenwillig ist Wapplers Definition von «Meinungsjournalismus»: Wenn ein Politiker redet und «der Journalist» dann «den Eindruck erweckt, er wisse es besser», provoziere das einen «Vertrauensverlust». Man stelle sich vor: Eine AfD-Abgeordnete relativiert den Holocaust oder ein SVP-Politiker erzählt, dass der Klimawandel eine Erfindung sei, und der SRF-Journalist wagt es, diese Aussagen kritisch zu kommentieren – da würden wir total das Vertrauen verlieren, oder? Wer nur ja nicht arrogant wirken will, kann in Anbetracht von Fake News und gezielten Propagandalügen ganz schön blöd ausschauen.

Zugleich will die neue Direktorin die Kultur ausbauen. Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden, zumal Wappler die Kultur nicht dem Quotendruck aussetzen und AutorInnen gut entlöhnen will. Kurios ist bloss, dass die einstige SRF-Kulturchefin im Interview Kulturbeiträge gegen den verpönten «Meinungsjournalismus» ins Feld führt. Eine solche Gegenüberstellung wirft nicht nur Fragen zu Wapplers journalistischem Bewusstsein auf, sondern auch zu ihrem Kulturbegriff.

«Jetzt bitte nicht selber Klischees produzieren: Ich kann auch jassen!» (Nathalie Wappler auf die Frage, ob sie mit dem Beizer aus Dübendorf auf Augenhöhe sprechen könne.)