100 Wörter: Fredendonk verschiebt sich

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Fredendonk, der sämtliche Feiertage traditionell verschlafen und sich einen eigenen Kalender ausgedacht hatte, der diese Zeit systematisch umschichtete, kehrte erst am zehnten Januar wieder auf die Schiene der offiziellen Zeitrechnung zurück. Aus praktischen Gründen war dies auch der erste Tag, an dem er erneut Kontakt mit seinen Mitmenschen aufnahm, die in der Zwischenzeit derart verschoben waren, dass jegliche Kommunikation scheitern musste. Erst Mitte Monat, wenn allen bewusst wurde, dass die auf diese Zeit verschobenen Vorsätze und Zusammenkünfte unmöglich einzuhalten waren und der Alltagstrott unweigerlich die Herrschaft übernahm, kam jene resignierte Gelassenheit zurück, die Fredendonk für das Zusammenleben für unentbehrlich hielt.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Seine neue Gaunerkomödie «Die Bank-Räuber» tourt aktuell mit Beat Schlatter in der Hauptrolle durch die Deutschschweiz: www.diebankraeuber.ch. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.